Entführung auf dem Einhorn (Der Raub der Proserpina)

Worum es geht

Beschreibung

Das auf rohweißem Büttenpapier gedruckte Blatt zeigt bildeinnehmend den Raub der Proserpina durch Hades (Pluto), den Gott der Unterwelt, der hier auf einem Einhorn reitet. Der Entführer hat die Tochter Jupiters und Demeters unter seinem rechten Arm gepackt, während sie sich mit Händen und Füßen - jedoch erfolglos - gegen die Gefangennahme wehrt. Die Geschichte stammt aus den Metamorphosen Ovids (V, 385-409) und endet damit, dass Proserpina, die nach der Entführung in der Unterwelt gefangen ist, jedes Jahr im Frühling als Blume das Licht der Welt, aus der sie stammt, erblicken darf. Die beiden Personen, die so angeordnet sind, dass sie zusammen ein X bilden, sind nackt, was auf das Begehren, das Hades für Proserpina fühlt, hinweist. Das monströs wirkende Pferd mit Teufelshorn und Bockshufen, mit dem Hades von links ins Bild reitet, verwendet Dürer bereits in seinem Kupferstich Ritter, Tod und Teufel von 1513 (Inv. Nr. A 1909/GL 3). Proserpina ist eher schematisch dargestellt, im Gegensatz zum Einhorn und zu ihrem Entführer, dessen Körper und Gesichtszüge bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind. Diese Unterschiede lassen sich auf Schwierigkeiten mit der Technik zurückführen. Das gegenständlich Ungeklärte am linken oberen Bildrand könnte möglicherweise ein Gewitter darstellen und damit auf den Zorn Jupiters verweisen. Im Hintergrund ist eine nicht genauer definierte Seelandschaft zu erkennen. Die von Daniel Hopfer in Augsburg um 1506 entwickelte Technik der Eisenradierung verwendete Dürer nur noch in vier weiteren Blättern (etwa Das Schweißtuch, von einem Engel gehalten , 1516; Inv. Nr. A 3363). Für diese Experimente wählte er außergewöhnliche Bildthemen. Der Nachteil der Technik war, dass Eisen rostet und dass es nicht möglich war, unterschiedlich starke Linien zu ätzen. Wie fast alle Arbeiten Dürers ist das Blatt mit seinem Monogramm und der Jahresangabe »1516« am oberen Bildrand im Wolkenband signiert und datiert. Das Blatt wurde ursprünglich mit keinem Titel versehen. Nach Erwin Panofsky, dem bedeutenden Kunsthistoriker und Dürerforscher, verweist der »infernalische Charakter« jedoch auf die Szene aus den Metamorphosen. [M. Löckel/HMK] Ausstellung: »Albrecht Dürer und Lucas van Leyden. Kunst und Leben um 1500«, 2015/16

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