Wasserfall am Wehr

Die Pinselzeichnung mit brauner Tinte zeigt ein denkbar simples Sujet: ein Flusswehr aus Holz, worüber das Wasser herabfällt und aufbrausend seinen Lauf fortsetzt. Das vom Bildrand angeschnittene Gebüsch lässt förmlich spüren, wie der gebürtige Mannheimer Künstler Franz Kobell an dieser Stelle saß und mit energischen, spontanen und doch differenzierten Pinselstrichen die einzelnen Elemente herausgearbeitet hat. Aufgrund der relativ einheitlichen Breite der Linien könnte bei diesem Blatt nur ein einziger Pinsel verwendet worden sein. Eine Ausnahme stellt die mit einer Feder unten links geschriebene Signatur dar, welche vermuten lässt, dass das Blatt womöglich für den Verkauf vorgesehen war; diese Signatur könnte aber auch erst im Nachhinein angebracht worden sein - womöglich war das Werk zunächst nur als eine Skizze gedacht, zumal noch Schnittspuren an den Rändern zu erkennen sind. Allerdings sind keine Gemälde des Künstlers erhalten, bei welchen die Skizze als Vorlage gedient haben könnte; überhaupt gilt Franz Kobell wegen seines zeichnerischen Nachlasses mit mehr als 10.000 Blättern als ein »Künstler auf Papier«. Es sind die Werke etwa eines Claude Lorrain, die Kobell auf seiner Romreise von 1779 bis 1784 begeistern und ihn schließlich zur Landschaftsmalerei führen. Etwa zehn Jahre später setzt er den beliebten Bildgegenstand des Wasserfalls in seiner eigenen Art und Weise um: Anders als bei den traumhaften, idealisierten Landschaften seiner künstlerischen Vorbilder verzichtet er auf eine Verschönerung und bildet eine einfache Szene aus dem Alltag ab. Nicht mehr die arkadisch anmutenden, mystischen Orte sind der Gegenstand seiner Werke, sondern die Landschaft um München, wo er sich zunächst als Hofmaler unter dem Kurfürsten Karl Theodor, dann ab 1793 als freischaffender Künstler niederlässt. Somit befreit sich Kobell von der klassischen Bildtradition, sodass er als einer der frühen Vertreter von realistischen Landschaftsbildern gesehen werden kann. [T.Deguchi/HMK]