Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Breslau,20.7.30 Kunstakademie Mein lieber Herr Düssel! mein Bruder sandte mir heute Ihre für mich so gloriose Kritik,für die ich Ihnen danken möchte,wenn 'Dank' hier das richtige Wort ist. Ich muss auf die verschiedentlichen teilweise sehr begeisterten Zuschriften (nicht nur der lieben Verwandten!) mich immer fragen: stimmt das? sind die Bilder wirklich so? Ich gestehe Ihnen,dass ich bei der Absendung der Bilder ein keineswegs briedigtes Gefühl hatte,vielmehr fürchtete,bei der diesmaligen Kunstolympiade keine gute Figur zu machen. Umsomehr überrascht mich nun der Effekt. Sicher ist aber,dass die Bilder keine Höhepunkte,im Sinn von Letzterreichbarem,für mich darstellen,sondern dass ich das bestimmte Gefühl habe,sofern keine höheren Gewalten einen daran hindern,Besseres zu machen. Ihr uneingeschränktes Lob ist mir besonders desshalb so wertvoll_ganz abgesehen davon,dass Ihre Art,die Feder zu führen vom objektiven und künstlerischen Standpunkt höchstes Lob verdient und im Bereich heutigen Kunstkritikertums eine Oase bedeutet (sehen Sie den Mann des Berl.Tageblatts an!)--Ihre Stimme ist mir also desshalb so wertvoll.weil sie eine Sache um ihrer selbst willen wertet und dies im positiven Sinn.In dem Chaos heutiger Kunstproduktion kommt es natürlich auf Auslese an,wenn überhaupt ein Weg gezeigt und ein Charakter geschätzt werden soll,ein Charakter der Kunst meine ich,und das,was auf das hohe Ziel hinführt,das Stil genannt wird. Sie wissen,dass ich als "Holzpuppenmaler" abgestempelt werden soll,so etwa: Einer sagts dem Andern!-'Puppe' und vollends 'Holzpuppe' soll die Sache im Kern treffen und vernichten.--Nun sage ich,dass,wenn einmal das Abmalen,das Malen nach Modell verlassen wird,wenn man,zwar gestützt auf Wissen um die Natur und Figur, frei arbeitet und also k o m p o n i e r t, so begibt man sich erstens einmal in die Reihe derer,die in der Kunstgeschichte vornehmlich mit dem Begriff 'Stil' belegt werden, und_ zweitens, indem man das unnaturalistische Abbild schafft,wird dies,soweit es die menschliche Figur betrifft,notwendigerweise in dne Bereich des Puppenhaften gerückt,weil die Abstraktion der menschlichen Gestalt ihr Widerspiel mit den Mitteln der Kunst ist: Puppe,Reflexgestalt,Symbol.- Die heutigen Unentwegten,Naturalisten und Impressionisten,sehen natürlich nur ihren Weg als den rechten und zum Ziele führenden,aber ich glaube nicht,dass sie das Letzte und Höchste erreichen,das heute wie immerdar dasselbe ist und ' hoher Stil' heisst. Aber das brauche ich ja Ihnen nicht zu sagen,lieber Herr Düssel! Verzeihen Sie,dass ich bei dieser Gelegenheit wieder ins Dozieren verfiel,schreckliche Angewohnheit derer,die infolge Malerei Professor wurden und als solche dauernd sich'bekennen'zu müssen meinen...Der Anwurf "Holzpuppenmalerei" wird mich aber wahrscheinlich dazu verleiten,die Sache beim richtigen Namen zu nennen,also: darüber zu schreiben. Eigentlich wollte ich Ihnen nur kurz mitteilen,dass die "Festlichen Zwölf" unterdessen verkauft wurden und zwar nach Essen,von einem dortigen Kunstfreund,der das Bild,wie mir Dir.Gosebruch vom Folkwangmuseum mitteilte,wahrscheinlich dem Museum schenken werde (wenn derselbe es,wenn er es sähe,nicht für sich behalten wolle,-befürchtet wiederum Gosebruch). Dass ich seit Frühjahr nun auch in der Natinalgalerie [sic] hänge,leider mit einem früheren Bild von 1924,"Konzentrische Gruppe",werden Sie vermutlich wissen. Dass, wer einmal vom Künstlerbund staatspreisgekrönt wurde,(wie ich voriges Jahr in Köln) nun z e h n Jahre lang warten muss,male er inzwischen auch,was er wolle--,gehört zu den Sonderbarkeiten dieses Bundes der Künstler,ähnlich jener anderen Sonderbarkeit,die Bilder im Katalog a l p h a b e t i s c h zu ordnen.Von hier bis zur alphabetischen H ä n g u n g der Bilder ist eigentlich nur ein Schritt! Obwol Ferien sind,bleibe ich vorerst in Breslau,um endlich die Essener Wandbilder fertig zu malen.Aber im Herbst,anfang September denke ich.nach Stuttgart zu kommen,wo ich Sie zu sehen hoffe.(Dann weiter nach Zürich,zum immer hochzuverehrenden Otto Meyer,über den ich z.Zt. einen Aufsatz zu schreiben versuche,war mir ausserordentlich schwer fällt,wahrscheinlich,weil ich ihm zu nahe stehe). Auf Wiedersehen also und für heute herzlichen Gruss Ihres Oskar Schlemmers 30.07.30 ZurSache' Puppen': es fällt mir ein,dass z.B. der Bildhauer Marcks von jeher und nicht bewusst ironisch von seinen Plastiken als von "seinen Puppen" spricht.

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