Einleitung Provenienzen online

Am 3. Dezember 1998 werden auf der »Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust«die so genannten »Washingtoner Prinzipien« verabschiedet. In diesem völkerrechtlich nicht bindenden Papier bekräftigen 43 Staaten, darunter Deutschland, und 13 nichtstaatliche Organisationen eine »gerechte und faire Lösung« für den verfolgungsbedingten Entzug von Kunstwerken zu finden, der auf den staatlichen Terror der Nationalsozialisten zurückzuführen ist. Die Unterzeichnung der »Washingtoner Erklärung« gilt als zentraler Meilenstein in der Geschichte der Provenienzforschung in öffentlichen Museen.

Die Staatsgalerie Stuttgart nimmt den 25. Jahrestag dieses historischen Datums zum Anlass, erstmals Provenienzforschungsergebnisse in der Sammlung Digital zu veröffentlichen. Die seit 2009 erarbeiteten Herkunftsnachweise wurden vor ihrer Veröffentlichung erneut geprüft und aktualisiert. Die publizierten Provenienzen stellen dennoch immer nur den momentanen Forschungsstand dar und können zum Beispiel aufgrund neuer Befunde jederzeit eine Neubewertung erfahren. In diesem Fall werden die Angaben zeitnah aktualisiert.

 

Eine vollständige Provenienzangabe dokumentiert im Idealfall die Herkunft eines Kunstwerkes vom Zeitpunkt seiner Entstehung bis zu seinem Eingang in die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. Die Informationen basieren auf systematischen Erstchecks oder auch Tiefenrecherchen, die je nach Kunstwerk – sofern verfügbar – primäre und sekundäre Quellen wie Inventarbücher, Ankaufs- und Korrespondenzakten, Bildakten, Literatur, Datenbanken und Bildrückseiten auswerten.

Die Provenienzangabe besteht – sofern bekannt – aus folgenden Informationen:

  • Besitz- bzw. Eigentumszeitraum
  • Vor- und Nachname von Besitzern oder Eigentümern (natürlichen Personen) bzw. Körperschaften/Institutionen (juristischen Personen), ggf. Lebensdaten und Wohnort
  • Art der Erwerbung
  • Quellennachweis

Die chronologisch aufeinanderfolgenden Besitzverhältnisse werden jeweils durch eine neue Zeile dargestellt. Es ist nicht möglich, Besitz und Eigentum in allen Fällen differenziert zu recherchieren. Insofern sind sowohl Besitz- als auch Eigentumsangaben ausgespielt.

Die Provenienzen sind in Anlehnung an den »Leitfaden zur Standardisierung von Provenienzangaben« (PDF) vom Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. verfasst. Die Provenienzkette beginnt mit der ersten bekannten Herkunftsstation. Vorhandene Provenienzlücken werden durch die Formulierung »Verbleib unbekannt« deutlich gekennzeichnet. Unbekannte Besitzzeiträume sind mit der Abkürzung »o.D.« (ohne Datum) angegeben. Da wir für interessierte Laien und Fachpublikum gleichermaßen transparent sein möchten, haben wir uns für die Veröffentlichung mit Quellennachweisen entschieden. Zusätzlich wurden erläuternde Anmerkungen ergänzt, sofern es notwendig schien. Ungesicherte Informationen sind durch das Wort »wohl« gekennzeichnet. Zur Wahrung der Datenschutzgrundverordnung werden private Besitzverhältnisse von natürlichen Personen nach 1945 als »Privatsammlung« ausgewiesen, auch wenn uns die Namen bekannt sind. Bei begründetem wissenschaftlichen Interesse werden diese Informationen mitgeteilt.

Gemäß unserem Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit werden auch Provenienzen von Kunstwerken veröffentlicht, die heute physisch nicht mehr in der Sammlung der Staatsgalerie vorhanden sind. Zu diesen zählen unter anderem die 1937 als »entartet« beschlagnahmten Werke, Kriegsverluste, Diebstähle oder Verkäufe.

Warum sind Provenienzen noch nicht bei allen Objekten der Sammlung Digital verfügbar?

Die Gesamtheit der Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind und nach 1933 Eingang in die Sammlung der Staatsgalerie gefunden haben, umfasst nach aktuellem Forschungsstand rund 7.000 Werke. Als im Jahr 2009 dank Drittmitteln Provenienzforschung in unserem Museum möglich wurde, lag die Konzentration zunächst auf der gezielten Suche nach Verdachtsfällen von NS-Raubkunst sowie der Bearbeitung externer Restitutionsansprüche. Seither wurden 17 Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer restituiert und durch das Land Baden-Württemberg eine unbefristete Stelle für Provenienzforschung eingerichtet. In einem nächsten Schritt begann die systematische Untersuchung der Herkunft unserer Sammlung, wobei der Fokus auf den Gattungen Malerei und Plastik lag. Aus dieser Gruppe wurden zunächst die Erwerbungen der Staatsgalerie im Zeitraum 1933 bis 1945 zielgerichtet erforscht und für die Veröffentlichung auf unserer Website vorbereitet. Es handelt sich um insgesamt 310 Gemälde und Plastiken, deren Provenienzen nun in der Sammlung Digital abrufbar sind. Als nächstes werden die Erwerbungen der Freunde der Staatsgalerie e.V. zur Zeit des Nationalsozialismus in der Sammlung Digital veröffentlicht. Eine fortwährende Erweiterung der Sammlung Digital um neue Provenienzforschungsergebnisse ist angedacht. Grundlage für die Online-Veröffentlichung ist jedoch ein vollständiger Datensatz – vom wissenschaftlichen Text bis zur Abbildung. Die Staatsgalerie beherbergt aktuell rund 300.000 Kunstwerke und Archivalien, wovon gegenwärtig rund 18.000 Objekte in der Sammlung Digital sichtbar sind. Wir arbeiten unermüdlich an der wissenschaftlichen Erschließung unserer Sammlung und freuen uns darauf, sukzessive sämtliche Forschungsergebnisse zugänglich zu machen.

Für Rückfragen, Anregungen, Kritik oder weiterführende Informationen erreichen Sie unsere Provenienzforscherin Johanna Poltermann unter johanna.poltermann@staatsgalerie.bwl.de.