Szene am Geländer

Mittels einer komplizierten Verschränkung von hintereinander gestaffelten Raumkompartimenten erzeugt Schlemmer einen starken Tiefensog. Der ansteigende Weg - eventuell auch eine Treppe - führt von einer dunklen Zone zu einer lichten Öffnung. Dominiert von einer zentralen Rückenfigur, staffeln sich weitere Figuren in strengen Profilansichten bis hin zu jener fernen Lichtzone, die von einer hellblauen Rückenfigur und einer durchscheinenden Frontalgestalt beherrscht wird. Schlemmer hatte im Frühjahr 1929 das Dessauer Bauhaus verlassen und eine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Akdademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau angenommen. Diese Arbeit ist beispielhaft für eine ganze Reihe von Treppen- und Geländerszenen, die Schlememr ab 1931 in Breslau schafft und die in der berühmten "Bauhaustreppe" im New Yorker MoMA ihren Höhepunkt finden. In ihnen führt er seine Typenfiguren gleichnishaft zu einem visionären "Bau der Zukunft". Es sind Arbeiten, die auch zu verstehen sind als Erinnerung an die gemeinschaftsbildende Zeit in jenem legendären Reforminsititut, das im Spätsommer 1932 im politisch radikalisierten Dessau seine Pforten schließen musste.