Worum es geht

Beschreibung

Der Ricordo (Nachzeichnung zur Erinnerung) Giovanni Domenico Tiepolos vereint Motive aus verschiedenen Werken des Vaters, die während der Würzburger Zeit entstanden sind. Die lagernde Figur wiederholt den sterbenden Hyacinthus aus Giovanni Battistas (1696-1770) Gemälde »Der Tod des Hyacinthus«, welches er vermutlich im Winter 1752/53 für den Grafen Wilhelm von Bückeburg schuf und das sich heute in der Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid befindet (Massimo Gemin und Filippo Pedrocco: Giambattista Tiepolo. I dipinti. Opera completa, Venedig 1993, Nr. 423). Der Erzählung nach verwundete der Gott Apoll seinen Freund bei einem Wettkampf versehentlich tödlich mit dem Diskus. Tiepolo jedoch folgte der italienischen Ovid-Übersetzung von Giovanni Andrea dell'Anquillara aus dem Jahre 1561, nach der sich der Unfall beim Tennisspiel ereignete. Der Ballschläger, rechts unten im Gemälde, kehrt in der Stuttgarter Sammlung im Ricordo eines Werkstatt-Mitarbeiters wieder (Inv. Nr. C 1486). Aus dem Blut des Getöteten wuchsen die Blumen gleichen Namens. Zephir, der ebenfalls in Hyacinthus verliebt war und den Unfall verursachte, indem er den Wind drehen ließ, wird bei Tiepolo zu einem Putto. Graf von Bückeburg war ein leidenschaftlicher Tennisspieler, damals Jeu de Paume genannt, so dass die Anregung, nicht die Diskus- sondern die Tennisvariante darzustellen, wohl von ihm selbst kam (Rose-Marie und Rainer Hagen: Giovanni Battista Tiepolo: Der Tod des Hyacinth. Tennis-Match mit Gott Apoll, in: Art 1985, H. 7, S. 66-71). Im Anschluss an den Hyacinthus nutzte Giovanni Domenico die noch freien Stellen auf dem Papier und zeichnete am linken Blattrand die fliegende Hore, die sich neben der Gruppe zur Seite des Tierkreises in der Würzburger Treppenhausdecke wiederfindet. Am rechten Blattrand wird die zu Boden gestürzte steinerne Statue der Ephesischen Artemis wiedergegeben, die links neben dem Steinblock mit Schriftzeichen in der Gruppe der »Asia« liegt (ebd. 1993, Nr. 415). Hore und Artemis stammen aus dem Jahre 1753, als Tiepolo die Nordseite des Treppenhausfreskos malte. Vergleicht man den Oberkörper des Hyacinthus in dieser Zeichnung mit den Aktstudien Giovanni Battistas auf leuchtend blauem Papier, die wohl in die Vorbereitungsphase des Gemäldes gehören (Inv. Nr. C 1444, C 1445, C 1448, C 1451, C 1455), so ist die summarische, ja beinahe unplastische Behandlung der Muskulatur, besonders in der rechten Körperhälfte, derart eindeutig, dass der Vater als Künstler nicht infrage kommt. Die harten, nebeneinandergesetzten Rötelstriche gibt es hingegen in fast allen Ricordi. Auch sind ihnen gewisse Unsicherheiten eigen, wie hier beispielsweise an der rechten Achsel und dem darunterliegenden Tuch, welche Giovanni Domenico mit mehreren Schraffuren übereinander sowie dicken gebündelten Strichen auszugleichen sucht. Auch der Vergleich mit der Rötelstudie Giovanni Battistas zum »Kopf des Hyacinthus« zeigt den Unterschied zwischen dem Zeichenstil des Vaters und dem des Sohnes: Während im Ricordo Domenicos der Kopf relativ flach anmutet, erreicht Giovanni Battista mit wenigen Strichen äußerst plastische Gesichtszüge und eine ausdrucksstarke Profillinie (die Zeichnung heute verschollen; Knox 1980, Nr. L.17; eine Kopie von Lorenzo Tiepolo (1736-1776) danach im Würzburger Album; Knox 1980, Nr. H.26; Christel Thiem: Ein Zeichnungsalbum der Tiepolo in Würzburg. Erkenntnisse zur Praxis und Funktion des Porträtzeichnens im Tiepolo-Studio, München 1996, Nr. 26). Auch ist fraglich, ob der Zeichner in einer Studie zu einer Figur derart exakt bereits den Schatten wiedergeben würde, den der rechte Arm des Hyacinthus wirft. Den Putto, der im Gemälde rechts neben Hyacinthus erscheint, hat Domenico in einem weiteren Blatt der Stuttgarter Sammlung, auf dem der Vater bereits 1750 mehrere Putti zur »Apotheose des Angelo della Vecchia« in Vicenza gezeichnete hatte, an der noch freien Stelle auf dem Papier rechts oben ergänzt (Inv. Nr. C 1475).

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