Sehr geehrter Herr Westheim, ich war verreist und komme...

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Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Cannstatt b Stuttgart 3 dez 20 Sehr geehrter Herr Westheim, ich war verreist und komme erst heute dazu Ihre Karte zu beantworten die mich in nicht geringes Erstaunen setzte. Nach Ihrem letzten Schreiben vom März, in dem Sie sich über meine und Herrn Baumeisters Arbeiten äußern, hatte ich mich jeder Hoffnung begeben, jemals das rechte Verständnis Ihrerseits zu finden. Sie bezeichneten es als eine Perversion der Zeit derartige Atelierprobleme in die Öffentlichkeit zu ziehen. Besteht diese Gefahr heute nicht mehr? oder ist der geplante Aufsatz über neue Tektonik so auf Fragwürdigkeit gestellt von vornherein, daß gar eine Verurteilung der Bildproben gedacht wäre? Dann wäre unsere Vorsicht dort wol am Platze. Es könnte auch sein daß Sie Ihre Skepsis aufgegeben und sich entschlossen hätten auch den Problemen Raum zu gewähren. Nun muß ich gestehen daß mir manche Reproduktion des Kunstblatts ungelöster und problematischer erschien - bei scheinbarem Gegenteil - als manche meiner Arbeiten und es dürfte Sie interessieren daß der von uns gleich hochgeschätzte Paul Klee jüngst eine Arbeit - ein Relief, nicht frei von Problematik wähne "als so gar nicht problematisch" vielmehr "ganz gelöst" bezeichnete. Ja, ich mußte bei diesem Urteil denken ob problematisch überhaupt u absolut denn einen Vorwurf bedeute. Ist denn nicht fast jedes Werk Paul Klee's eigentlich problematisch? Mir scheint es so. Weiterhin erstaunte mich daß Sie Franzosen reproduzieren (Leger, Gleizes, Braque) die denselben Geist in ihren Weken verkörpern von dem auch ich beseelt zu sein glaube. Ist es weil sie Franzosen sind und weil es vom Imressionismus der zur Tradition geworden scheint ihnen den Ehrenplatz einzuräumen und alles was sich in Deutschland Verwandtes regt, in Sekundäre Beziehung zu setzen? Chauvinismus liegt mir ferne und Selbsteinschätzung braucht nicht Überhebung zu sein um zu sagen daß was ich u Baumeister machen neben jenen Franzosen bestehen kann und in Deutschland demgemäß eine Wertschätzung verdient zumal typisch deutsche Werte zum Ausdruck kommen. Wir haben in Dr. Prf. Schmidt - Dresden einen Entdecker gefunden, der in überraschendster Weise jene von mir heimlich gehegten Beziehungen zu Ph.O. Runge u C.D. Friedrich empfand und das auch wir Deutsche eine Tradition haben können. Ich wollte mich kürzer fassen. Meine Anfragen sind: wer schreibt den geplanten Aufsatz? Wann soll er erscheinen? Wie viele u welcher Art Abbildungen kommen in Frage? S. g H W Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen, dazu denn ich bemerken möchte daß mir nicht gefallen will daß Sie nun als eine Art Ausflucht gefunden haben daß meine u Baumeisters Abeiten nur in Verbindung mit der Architektur Daseinsberechtigung haben sollen. Einiges ist wol mit dem Gedanken an Architektur entstanden, doch keineswegs so daß sie ohne diese in der Luft hängen. Wäre dem so u würde ihr künstlerischer Wert mit diesem Umstand stehen u fallen, so möchte ich diese Dinge nicht geschaffen haben. Was ist die Perversion der Zeit von der Sie sprechen "anders als die Tatsache daß die bild. Kunst als im Brennpunkt der mod. Entwicklung stehend und richtung gebend für die anderen Künste wirkte u noch wirken, diesen voraufeilen und so naturgemäß sich isoliert finden. Wo ist die Schuld u wo das Verdienst? Sollen wir die Hände in den Schoß legen weil zu unserm Leidwesen die Architektur für die wir schaffen noch nicht existiert? Sobald auch nicht existieren wird in der Misere unserer Zeit. Wie sollen wir unsere Ideen dokumentieren die so viel positiver sind als z.B. die Kitsch u Copien eines Bruno Taut (Alp. Arch. Weltbaumeister). dieser Art Architekten können zumeist von den Malern nur lernen. In der Wandgestaltung der Sturm ausstellung habe ich ein Stück Architektur im Zusammenhängen der entspr. Arbeiten versucht. Es ist mir darum zu tun den Eigenwert unsrer Arbeiten zu retten. Sie problematisch zu nennen weil sie ihre adäquate Architektur noch nicht gefunden haben, kann ich nicht gelten lassen da es die Lösung des Problems nicht ausschließt. Als formale Gestaltung sind sie aber gelöst. Die tatsächliche Anwendung innerhalb des Gegebenen kann freilich die währe Erfüllung bringen, ändert aber am positiven künstlerischen Wert nichts. Dieser ist jezt in einen Extrakt zuammengedrängt aus dem sich nachher die Nutzanwendung ergiebt. Wol glaube ich daß die Architektur diese ihrer Herkunft nach reinste Abstraktion den Niederschlag der gegenstandslosen Kunst aufzunehmen prädestiniert ist. Gegenstandslose Kunst wird eben als des Inhalts bar notwendigerweise Ornament. Ich weiß nicht ob das heutige Schaffen so absolut allen Inhaltstatsachen gegenüber gleichgültig ist. Der Kultus der reinen Form war eine notwendige Läuterung die uns dazu helfen sollte künftig auch Ideen, Inhalte formal zu meistern. Ich möchte den Inhalt nicht meiden. Zunächst die Augenweide aber umso größer der, der jenseits dieser zu den Tiefen steigt. Der Verschiedenheit gegenüber den Franzosen bin ich mir wol bewußt. Gemeinsam finde ich restlose Hingabe an die From u die Kühnheit des Wagens. Wo solches in Deutschland sich regt wird es zunächst sehr viel skeptischer aufgenommen; den Franzosen wird bereitwilliger verziehen. Ich darf Ihnen wol verraten daß meine Berufung an das Weimarer Bauhaus nächstens bevorsteht; es steht nur noch die ministerielle Gegenzeichnung des Vertrags aus. Dort ist ja zum Programm erhoben was Sie mir wünschen der Verwirklichung im Räumlichen den Weg zu ebnen. Ich freue mich der Arbeit unter so günstigen Voraussetzungen und ich brenne darauf zu arbeiten und in eine continuierliche Form zu bringen was ich im Krieg etwas exaltiert begonnen und nachher in unruhiger Zeit (Akademiekämpfe u dergl.) fortsetze. Seit einem Jahr kam ich zu keiner Arbeit mehr. So glaube ich fast Ihnen über ein Jahr geeignetere Bildproben geben zu können, zumal fast alle die ich jezt habe im Cicerone u Feuer veröffentlicht werden sollen, und Sie vermutlich Wert auf Unveröffentliches legen. - der Fall liegt anders bei Baumeister, dem durch mich auf keinen Fall ein Hindernis erwachsen soll.

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