Sehr geehrter Herr Prof.W.Grohmann, ich komme erst heute zur Beantwortung...

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Worum es geht

Beschreibung

Transkription: 14.4.1949 Sehr geehrter Herr Prof.W.Grohmann, ich komme erst heute zur Beantwortung Ihres Briefes v.4.3 Eine längere Reise ins Rheinland und Vorträge, die seit so langer Zeit nach fast 15 Jahren auch nichts gewohntes mehr waren, all diese Dinge liessen es nicht zu, sofort auf Ihre Zeilen zu antworten, die mich mich nach so langer Wartezeit besonders erfreuten. Da Sie mich das letzte Mal nach vor- heriger Ankündigung auch nicht aufsuchen konnten, war ich bald zur An- sicht gekommen, dass irgend etwas zwischen uns getreten ist; so waren mir Ihre lieben Worte doppelt erfreulich, da sie alle Befürchtungen zerstreuten. Bitte seien Sie nicht enttäuscht, wenn ich so kleingläubig erscheine, aber das Schicksal der letzten Jahre war so angehäuft von Widersprü- chen und Wiederwärtigkeiten, dass es schon bald wie ein Wunder ist, nicht einem Irresein anheimgefallen zu sein. Ich lege Ihnen ein paar Foto (sic) mit ein, diese sagen natürlich sehr sehr wenig, meine letzten Arbeiten sind einfach nicht in schwarz-weiss zu bringen, vor allem eignen sie sich nicht zum Zeitungdruck. Vielleicht nur die Arbeit Nr. diese ist momentan auf der großen deutschen Kunst- ausstellung, die Mitte Mai in Köln eröffnet wird. Ich habe dort das erste Mal 5 größere Arbeiten hängen. Ich arbeite momentan ganz dünn in Öl auf Papier mit Hilfe von Gummischeiben und Walzen. Damit er- ziele ich die Wirkung des Nichtstatischen, des Schwimmens, welche die Grundgestaltung der Tendenz (d.h. der Bewegung) innerhalb der Formen in ihrer thematischen Abwandlung und der Bewegung innerhalb des Raumes der Bildfläche im höchsten Masse unterstützt. Das harte Arbeiten mit der zähen Ölfarbe, womöglich anstreichend entspricht nicht der Funk- tion der inneren Schwingung, die am einfachsten mit der Graphitspitze in der Linie zum Ausdruck gebracht werden kann, wenn man auf die Farbe und Fläche verzichtet. Aber diese Ausdruckselemente sind in ihrer Breite nur mit breiten Mitteln zu vollziehen. Es ist natürlich sehr schade, dass ich Ihnen nicht ein Original zeigen kann, weil man nur an Hand der realen Dinge auch eine erspriesssliche Theorie geben kann, dass (sic) ist ja eine bekannte Sache. Auf meiner Reise ins Wuppertal in Stuttgart ins-besondere bei Prof. Hildebrandt hatte ich sehr erkannten Erfolg. Auch bei Menschen, die bisher nur in der alten Malerei verhaftet waren, habe ich überraschen- den Zuspruch bekommen. Ich hoffe nun im Laufe des Sommers bis zum Herbst eine Ausstellung in mehreren Städten unterzubringen, die ich etwas in meiner Entwicklung halten möchte. Die Fachmenschen ersehen dadurch, dass es hier sich um eine gewachsene Sache handelt und nicht um eine gemachte. Der Fernstehendere kann sich leichter in diesen Aus- druck einfühlen, als wenn man nur die letzten fertigen Dinge als Er- gebnis zeigt. Jedenfalls habe ich bei den paar Besuchen in meinem Atelier bei Vorzeigen meiner Arbeiten diese Erfahrungen feststellen können, dass eine Folge besser ist, als eine Epoche. Meine beiden Vorträge im Amerika-Haus hatte ich auf Veranlassung von Dr.Roh gehalten, der einer Führung von mir anlässlich der französischen abstrakten Ausstellung in der Lehnbachgalerie beiwohnte und überrascht war, dass ich auch in theoretischer Hinsicht eine Fähigkeit besitze. Es ist überhaupt alles so merkwürdig. Dr.Roh hatte ich einmal vor 3 Jah- ren aufgesucht und ihm ein paar Arbeiten von mir gezeigt, die ihm aber garkeinen Eindruck hinterliessen. Der Einzige, der ernstlich sich für meine Arbeiten interessierte, war der ehemalige englische Konsul Thwaites, an den Sie mich seinerzeit verwiesen. Er war es, der mich auch mit meinen Arbeiten voriges Jahr in die internationale abstrakte Ausstellung nach Paris brachte. Kein Deutscher war bereit mich zu erkennen. Dr.Domnick aus Stuttgart hatte damals gerade die Beschickung der Austellung in Paris stark in den Händen und trotzdem er mich und meine Arbeiten genau kannte, hatte er mich damals von der Liste gestrichen und ich wäre wieder nicht dabei gewesen, wenn nicht Thwaites sich energischfür mich einge- setzt hätte. Nun mit der einzelnen Anerkennung durch Thwaites sind so- fort Mitläufer dabei und beachten mich. So bin ich nun langsam aufge- nommen in den Kreis Thwaites. Fietz, Stangel, Dr.Roh und Grote als die Wichtigsten. Um aus der allgemeinen Isolierung und Versackung, in die überhaupt das gesamte Gebiet der bildenden Kunst hineingetreten ist, etwas herauszukom- men habe ich die Initiative insofern etwas in die Hand genommen, indem ich für ein periodisches Treffen unseres Interessenkreies eingetreten bin und so treffen wir uns nun jeden ersten Samstag des Monats bei Stan- gel in München, an der Spitze die schon oben genannten. Unser erstes Treffen in diesem Monat stand unter lebhafter Anteilnahme an den Tages- problemen. So wurde unter anderem der Punkt einer Kunstzeitschrift be- sprochen, die auf internationaler Basis in drei Sprachen herauszubringen wäre, um überhaupt ein Organ mal zu schaffen, mit dem wir uns eine (sic) brei- teren Schicht des Publikums erobern können. Die bisher erschienenen Kunst- hefte wie »Prisma« jetzt »Thema«, und nun noch »Glanz«, haben keine feste Linie, ausserdem (wie das Thema) benützen sie die Gelegenheit, eine Kampfstellung gegen die fortschrittliche Richtung aufzuziehen. Wie es der Artikel von Hofer im ersten Heft zeigt. Ich finde das eine ausserordentliche bedau- erliche Erscheinung, die in keiner Weise für den gesamten Kultursektor dient, der sowieso schon in einer so prekären Lage sich befindet. Lieber Herr Grohmann, ich schreibe Ihnen dieses wegen der Zeitschrift, weil Sie mir einmal schrieben, dass Sie sich ebenfalls mit einer internatio- nalen Kunstzeitschrift befassen, und ich der Ansicht bin, dass man der Zersplitterung entgegen arbeiten müsste um die Kräfte zu sammeln und zu koordinieren. Ich bitte die Angelegenheit aber vertraulich zu behandeln. Meine Idee ist, dass wir uns die hiesigen Kräfte, die dieses Kunstorgan ins Auge gefasst haben unbedingt mit Ihnen zusammenbringen müssten, vielleicht könnte man da eine glückliche verbindende Lösung finden. Die Zeitschrift sollte von Thwaites, Grote und Bill-Schweiz mit Dieter- Keller-Verlag Stuttgart herausgebracht werden. Keller soll so gut als Verleger stehen, dass er aus Idealismus für die Sache von einem Verdienst bei der Zeitschrift vorläufig Abstand nimmt. Er ist besonders befreundet mit Bill, ich glaube durch seine Frau, sodass er die Teilnahme Bills als Bedingung machte. Nun soll aber Bill die Grenzen des Stoffes zu eng ge- zogen haben, sodass Thwaites und Grote das nicht mitmachen wollen, ander- rerseits hat Bill seine Mitarbeit am Blatt nicht versagt, will nur nicht als Herausgeber mit zeichnen, wenn es nicht in dem Rahmen ge- schieht, den er sich denkt. Könnte man also hier nicht eine andere Lösung finden, um nicht wieder alles ins Wasser fallen zu lassen?! Ich habe zu- fällig eine sehr gute Verbindung zu Keller in den letzten Stunden meiner Reise bekommen, sodass ich in der Lage wäre, vielleicht unterstützend in die Verhandlungen mit einzugreifen. Wir stehen heute vor ganz neuer und ungelöster Situation für die gestaltenden Kräfte und ihrem Einfluss innerhalb der lebenden Gesell- schaft. Die Kunst hat immer ihre fördernden Kräfte gehabt. Einmal waren es die Kirchenfürsten, dann die weltlichen Fürsten, dann die Mäzene in reichen Industriellen oder dann die öffentliche Hand, die Gemeinden oder der Staat. Heute sind alle diese Faktoren nicht mehr da bzw. nicht mehr in der Lage zu fördern, weil keine Mittel mehr vorhanden sind. Also müssen wir andere Voraussetzungen schaffen, die uns das Weiter- schaffen und Weiterleben ermöglichen. So besprachen wir auch einmal das Thema »Schule«, da die Akademien schon seit Jahrzehnten nun ein totes isoliertes Dasein führen und in letzter Zeit sogar aktiv einen Kampf führen gegen die Kräfte des wirklichen Fortschritts und der Erkennt- nis. Wir dachten an die Fortsetzung des Bauhauses. Da kamen wir insbeso- dere zur Feststellung, dass man Werkstätten mit HIlfe der Industrie errichten müsste, die ihrem neuen Werkstoff in die künstlerischen Werkstätten geben, die diese Werkstoffe in der Hinsicht prüfen, wie und was man mit Ihnen in künstlerischer Form und Anwendung noch machen kann. Die Summe der verschiedenen Industrien ermöglicht uns unbe- dingt wirtschaftlich eine solche Schule nicht nur ins Leben zu rufen, sondern auch zu erhalten, weil man ohne ein persönliches Opfer der einzelnen Industrie eine solche Sache schon organisieren könnte, wenn man der Industrie es beibringen kann, dass es für Sie nur einen Vorteil bringen kann, wenn sie statt ihre Gelder dem Finanzamt zu bringen, es einer Schule geben, die Ihnen dazu den Dienst des Entwurfs bringen. Ich erwähnte nur einmal eine solche Idee in einer Gesellschaft in Wuppertal in der sich auch der erste Bürgermeister befand, der gleich ziemlich begeistert von der Idee war. Meine musikalische abstrakte Filmsache steht ebenfalls dringend auf dem Programm. Stehe mit Hilla Rebay in reger Korrespndenz darü- ber, da die Guggenheim-Foundation die schwierige Arbeit evtl. finan- zieren würde. Insbesonders dieses Thema muss ich eingehendst mit Ihnen besprechen. All diese wichtigen Punkte sind nur die Hauptpunkte, die mich beschäfti- gen. Ich wäre schon viel weiter, wenn ich nicht so unter erdrückenden Sorgen meine ganze Kraft vergeuden müsste. Ich verdiene innerhalb die- ses Berufes noch nicht einen Pfenning und muss mich mit schrecklichen anderen Dingen befassen, um den Unterhalt für meine Familie herbeizu- schaffen. Andere unglaubliche Sorgen, wie eben, wo man mich mit Ge- richtsvollzieher und Polizei aus der Wohnung werfen will, weil ich Antifaschist war und in Dachau gesessen habe. Das klingt grotesk, aber es ist die Tatsache, da hier die ehemaligen Nazigrößen regieren. Ich lebe hier auf dem größten Verbrecherpflaster, das die Nachkriegs- zeit in Deutschland hinterlassen hat. Es wäre kein größeres Glück auszudenken, sollte ich einmal irgendwohin berufen werden um so aus diesem Sodom herauszukommen. Wir müssen in unseren internsten Dingen der Kunst aber eine Konzen- tration der Kräfte und das gemeinsame gesetzliche Ziel in höchster Akrivität vornehmen um nicht nur den kleinen Bestand an Kräften zu sichern, sondern auch weiter vorzustossen. Bitte, lieber Grohmann, vergessen Sie nicht das nächste Mal hier anzurufen und vorbeizukommen, damit wir alles eingehender besprechen können. ich habe mit diesen Zei- len ja nur andeuten wollen, welche Probleme zur Stunde uns beschäftigen und welche auf irgend eine Weise gelöst werden müssen. Nun lassen Sie bitte nicht mehr so lange auf sich warten, wie das letz- te Mal. Geben Sie wenigsten (sic) eine kurze Nachricht, ob sie diese Zeilen erreicht haben und ihren Zweck, dass Sie nun das nächste Mal auf Ihrer Reise bestimmt vorbeikommen, nicht vefehlt haben. Die herzlichsten Grüße auch von meiner Frau Ihr Rolf Cavael Anbei Fotos der Bilder Nr: 258 262 279 317 318 322 326 ich werde noch in nächster Zeit sowie ich weitere Fotos bekomme von rein schwarz weiss Arbeiten sofort an Sie denken und solche zusenden. Momentan bin ich wieder so überlastet, dass dieses noch ein paar Tage dauert, wollte Sie nur nicht noch länger auf Antwort warten lassen. Sollte aus Ihrer Schweizer Reise nichts werden. Könnte man sich dann nicht innerhalb auch des geteilten Deutschlands treffen?

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