Meeresküste bei Sonnenuntergang

Die autonome Landschaftszeichnung war ein wesentlicher Bestandteil im Kreis der Gebrüder Carracci und der von ihnen um 1582 in Bologna gegründeten Accademia degli Incamminati. In knappen, lockeren Linien fängt Annibale Carracci hier im Licht des Sonnenuntergangs eine eher melancholische Stimmung ein, die vielleicht mit seiner Schwermütigkeit in den letzten Lebensjahren zusammenhängt. Vermutlich ist das Blatt auf der Reise nach Neapel in seinem Todesjahr 1609 entstanden. Mit der fast nur vom Licht bestimmten flimmernden Atmosphäre nimmt Carracci bereits die Kunst von Nicolas Poussin (1594-1665) oder Claude Lorrain (1600-1682) vorweg. Zu bemerken sind in unserem Blatt die Zickzacklinien für die Darstellung der Baumkronen, auch gelingt es dem Künstler mit nur wenigen Federstrichen die Gegend einzufangen, so dass sich der Eindruck einer in sich geschlossenen Landschaft ergibt. Vergleichbar sind die etwa zur gleichen Zeit entstanden Blätter »Landschaft mit untergehender Sonne« (London, British Museum, Inv. Nr. 1972.0722.13; Washington 1999, Nr. 95; drawing | British Museum ) sowie »Landschaft mit lächelnder Sonne« und »Flusslandschaft mit Booten« (Paris, Louvre, Inv. Nr. 7485, 7465; Catherine Loisel: Musée du Louvre. Inventaire général des dessins italiens, Bd. 7, Ludovico, Agostino, Annibale Carracci, Paris, 2004, Nr. 734, 774; Derrière une montagne, le soleil sous la forme d'un masque souriant - Louvre Collections ; Paysage avec une rivière baignant des fortifications - Louvre Collections ). Unsere Zeichnung stammt u.a. aus dem Besitz des in Köln geborenen und später in Paris als Bankier tätigen Everhard Jabach (1618‒1695). Seine Sammlung von rund 5.550 Blättern verkaufte er 1671 an König Ludwig XIV. Sie wurde einer der Grundstöcke des Pariser Louvre.