Lieber Soldat Dieter Keller! Ihre schöne lange Briefe...

Transkription: Abschrift: Lieber Soldat Dieter Keller! Ihre schöne lange Adresse hatte ich mir schon [...] von Ihrer lieben Frau geben lassen, komme aber nachdem ich gestern Ihre Karte erhielt (also innert 2 Tagen) nun erst heute dazu, Ihnen ein Gruß zu senden. Es geht Ihnen also, wie ich höre, leidlich bis einigermaßen gut. Nun, sie sind ja fern vom Schuß und in Frankreich wird, nachdem der Soldat Petain die Friedensbedingungen zu wissen wünschte, wohl bald nicht mehr geschossen werden. Wohl in dieser Stunde sitzen die zwei Großen in München zusammen u legen die Bedingungen fest. Wie werden sie sein? Sie sind so, daß sich künftighin eine Revanche erübrigt oder soll dieser Totentanz verewigt werden? Es ist ja ein atemberaubendes Tempo, indem nun Frankreich vollends »genommen« wird. Ich kann mich objektiv betrachtet, gegen diese Leistung nicht verschließen. Es war sehr amüsant, als mir ihre Frau kürzlich am Telefon sagte, sie glaube nun auch an die Heeresberichte! Ja ja, wenn man erst mal eine Soldatenfrau ist, einen Mann im Felde hat ... Es schien so, als wäre die Stunde gekommen, daß ich mich an das Wandbild mache. (Obwohl noch immer nicht mich die dafür zuständige Muse genügend geküßt hat) - Schwupp! Da kommt Kämmerer und veranlaßt mich, dort »mal rasch« eine Skizze zu machen für eine katholische kleine Kirche oder Kapelle in Hohenheim. »Wenn ich wolle...« Da ich nun grundsätzlich immer »will«, d.h. jede Aufgabe geheime Reize für mich enthält und enthüllt, so bin ich nun soweit, morgen nach kurzer Artillerie d.h. Zeichnungsvorbereitung die Offensive auf die Kapellenwände zu untersuchen (Ich muß sagen dazu, daß in 10 Tagen die Weihe erfolgen soll, also bis dahin alles fertig sein muß). Dann aber »trachtet, nach Wand Gedanken, oder seid verachtet!« Denn München, das mir auch drohte, die Sgraffittos dort zu kompletieren, hat einige mehrere Wochen Zeit. Und andres auch. Die Persischen Miniaturen kamen. Vielen Dank. Eine sehr schöne Sache und eine überzeugend hinreißende Flächen Kunst, so daß ich versucht war, den Modellierung und dem Illusionismus das Garaus zu machen. Es geht aber nicht, der Garaus. Ich war in Sorge um die Familie, als es nun doch auch bei uns gegen Maginot losging (was meine Frau zwar zuvor schon behauptete, was ich aber nicht glauben konnte.) Aber also doch. Ich glaube aber unbesorgt sein zu können, da wir viel zu rückwärtig liegen und der Feind anderes zu tun hat als Störungsfeuer zu veranstalten. Bin sehr neugierig auf die nächste Post. Angst hatte man keine dorten - Und die Schweiz bleibt verschont. - Und Paris blieb es Gottseidank auch. Ob aber Giono nicht Opfer Mandels wurde?? Man las von hunderten von Erschießungen. Finanziell ist es nicht akut. Nur diesen Monatsende nicht nach Freiburg, da seit dem Fliegerangriff die Schulen geschlossen sind. Die »Drei Köpfe« sind wohl das Pastell, das zwar 3 Haupt- und 2 Nebenköpfe aufweist; es bleibt für Sie reserviert. Vorläufig verlustiere ich mich selbst noch daran. Es hat wirklich etwas von dem Unaussprechlichen, hinter dem Geheimnisse zittern, und dies aufeinander nur, weil es mit Nonchalance und in Gedankenfreiheit (frei von Gedanken) entstand. Leben Sie wohl lieber Dieter Keller, tragen Sie Geschick und Gewehr in Ehre und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem O.S. Leben Sie wohl. Lieber Dieter Keller tragen Sie Geschick und Gewehr in Ehren und seien Sie herzlichst gegrüßt