Lieber Dieter Keller, ich dachte mirs manchmal...

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Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Lieber Dieter Keller, ich dachte mirs manchmal, weil ich von ähnlichem gehört hatte und dachte mirs auch wieder nicht, aber nun es so ist, bedaure ich Sie aufrichtig und wünsche Ihnen nur Mut! Sprach der Hahn zum Regenwurm und fraß ihn up, jedoch, daß Sie als gänzlich unverdaulich baldmöglichst heimgeschickt werden mögen. ¿ Genau am Tag als Ihr Brief kam, hatte ich eine Karte nach Vaihingen kastenbereit und vermerkte nur darauf für ihre liebe Frau, daß ich Ihnen gleich schreiben werde. Ja ist sie denn ganz allein, ohne Hilfe? Das wäre schrecklich. Ich hoffe doch, daß jene Perle vom Land sich als solche erwies. Sehr erfreulich, daß es ihrer Christel gut geht. Ich kann Ihnen nachfühlen, wie es Ihnen beim Abschied zumute gewesen sein mag, zumal Ihr diesmaliger auf unbestimmte Zeit zu sein scheint? Man glaubt zwar einerseits, daß das Ende Englands bis Weihnachten soweit sei, - es gibt auch genug andere Meinungen, wie, daß der Krieg erst anfängt; einmütig sind die Meinungen, daß bis zum tatsächlichen Ende, Friedensschluß, noch Jahre vergehen würden. Das ist trüb und bitter. Ich murkse hier mühselig auf der Wand herum. Gut gelungen ist bis jetzt nur eine der 5 Landschaftsausschnitte, diejenigen, die ich von der Natur getreulich studierte und die mir dann auf der Wand die nötige Freiheit gab. Die anderen improvisiere ich mehr oder weniger, und das ist auf der Wand eine gefährliche Sache. Dazu die Grundstimmung, daß es doch nicht meine Sache ist, dergleichen zu tun, und daß die eigentliche dabei notleidet. Das ist auf die Dauer mitunter unerträglich. Ich muß mich täglich aufpumpen, um Atem zu haben, überhaupt zu arbeiten. Es gab Krisen, schlaflose Nächte(schlechte Atmosphäre sowieso: - Offenburg) und manchmal wollte ich das Ganze wieder zustreichen lassen, um ganz anders zu beginnen. Unpersönliche, fast so wissenschaftliche Darstellungen, der Mensch nach Dürer und Leonardo, Farblehre, Formprinzipien, geometrischen Perspektivischen usw. - aber ich gab es auf, bzw. kann es für eine andere Gelegenheit und führe nun halt in Gottesnamen Begonnene durch, so gut es geht. Das ist aber überhaupt mein gegenwärtiger Zustand, d.h. schon lange genug während, nun empfinde ich diesmal besonders stark aus dem Gleis geworfen, entwurzelt fremd seiner Sache, in eine Welt eingeklemmt, in der das Beste, was man hat, verschwiegen werden muß. Na ja, Nerven her! um es zu besiegen. Manchmal glaubte ich, einfach krank zu werden als Reaktion der Nerven. Aber was sind das für Klagen eines glücklichen Zivilisten, der jeden Tag mit den Knien begrüßen müßte, der ihn für seine individuelle Freiheit relativ geschenkt ist! Sie werden verzeihen. Nun seh ich, bleibt grad noch eine Seite für die Bücherwünsche. ¿ Gerne hätte ich doch die Etrusker von K. Pfister Verlag ? ¿ Usw. (aufgelistet in dem folgenden Brief, Typoskript, vom 14.11.1940) Trotz der Gefahren will ich nun am 15. Nov. nach Wuppertal. Es sei bisher, da es abgelegen, verschont geblieben. An Weihnachten zuhause, wobei ich mich schon heute freue - den winterlichen Blauen auch auf den spätherbstlichen freue ich mich, wenn Offenburg hinter mir liegt. Dieser Gedanke an den Blauen ist manchmal einer der wesentlichen Motoren, die mich zur Arbeit antreiben. Manchmal erforsche ich über mein Dasein, (¿), das mir mit derlei Fronarbeiten für den Augenblick zu sichern ist -. Schrieb ich Ihnen, daß Freunde in U. S. A mein Triadisches Ballett wieder ausgraben und ausführen wollen. Nun, bis zum Nächsten alle guten Wünsche und die herzlichen Grüße Oskar Schlemmer

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