Lieber Dieter Keller, mit den schönen und zahlreichen...

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Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Stuttgart Lieber Dieter Keller, mit den schönen und zahlreichen Kalendern haben Sie mir heute morgen eine freudige Überraschung bereitet. Recht schönen Dank. Mein Heimweg ging gut von statten, nämlich so: Erst spät nach 12 kam die letzte elektrische, die aber nur bis zum Depot fuhr. Dort drückte mir ein Fahrgast eine junge Dame in die Hand, die nach Feuerbach musste. Wir spazierten zusammen bis zum Hauptbahnhof, wo das erste Taxi entdeckt wurde, das die junge Dame bestieg. Ich Kavalier lag somit um halb 2 frohlockend im Bett! Unterwegs überdachte ich die entscheidende Punkte, die zu klären sind bei unserem gestrigen Zusammensein vergessen hatte, und tun das nachfolgend. Meine Absicht ist, am 1. Nov. (oder einige Tage später) nochmals zu Hans zu fahren auf 2-4 Wochen. Darüber dürfte es Winter geworden sein. Ich würde zwar die Gelegenheit wahrnehmen, am 1. Nov. meine Sachen aus der Hospitalstraße zu Ihnen zu bringen. Bei meiner Rückreise könnte ich ein sog. Harmonikabett (zum zusammenschieben) als Passagiergut mitbringen. Auch die sonst nötigen Betteile, die ihre Frau mir noch nennen müsste. Nun die Otto-Meyer Sachen: Wie ich Ihnen schon sagte, hätte ich gern OS am Klavier und die Reiterknaben behalten. - das Altärchen nimmt vielleicht dorch der (katholische) Kämmerer. - Somit bleiben nur noch die 2 kleinen Sachen, an denen Sie vermutlich wenig interessiert sein werden. - Wenn Sie gerne von den Schulbüchern etwas hätten, so ginge das wohl nur über den Drucker Paul Meyer in Lausen und wohl nur durch persönlichen Besuch bei ihm. Die bei Ihnen befindlichen OM-Sachen hätte ich gerne gelegentlich zu meinem Bruder in Vaihingen gebracht, um sie von ihm restraurieren und [...] zu lassen. Sodann meines Oeuvres und überhaupt der Stand meiner Verpflichtungen. - Ich notiere aus dem Gedächtnis: Von Ihnen erhalten 250.- 1000.- -------- 1250.- und die Bücher Meine Aufstellung Geländescene 300.- Wandbild 600.- Vorübergehender 150.- ---- 1250.- Die beiden letztgesandten Sachen durfte ich ja immer als Flüchtlingsgut und zur Ansicht bei Ihnen zu deponieren. Wenn Ihnen und Ihrer Frau der kleine dunkle Kopf bei Wallenborns so gefällt, so können Sie diesen selbstverständlich haben, und, wenn ich im November zu Hause sein werde, denke ich eine Reihe solcher kleiner Glasbildchen zu machen, wie sie eins bei Wallenborns sahen. Vielleicht findet sich dann dabei etwas, was Ihnen gefällt. Und nun komme ich zum schwierigsten Punkt meines Briefes: Ich fühle mich tief in Ihrer Schuld, da die Geländerscene nun in England inhaftiert und das Wandbild noch nicht existiert. Für Ersteres möchte ich Ihnen aber einen einstweiligen Ersatz in Verfügbarem geben und das Wandbild hoffe ich dann im Dezember zu einem guten Ende zu bringen. Um es nun heraus zu sagen: Ich kann am 1. November nicht nach Hause fahren, ohne im Besitz von 2-300 Mark zu sein. Können Sie mir helfen, leihweise oder a conto, wobei ich mich lieber um das erstere bemühen möchte um mein bedrückendes Gewissen zu entlasten. Der wirtschaftliche Druck unter dem ich geenwärtig stehe kann sich ja nicht auf die - aller Voraussicht nach - doch lange Dauer des Kriegs erstrecken. Aber ich möchte solange Atem behalten, bis ich soviel Klarheit über meine künftige Situation geschaffen.

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