Worum es geht

Beschreibung

Vorder- und Rückseite dieser Zeichnung enthalten Ricordi (Nachzeichnungen zur Erinnerung) von 1752 und 1753 nach verschiedenen Figuren aus den Erdteilen »Amerika«, »Afrika« und »Asia« im Treppenhausfresko der Würzburger Residenz (Massimo Gemin und Filippo Pedrocco: Giambattista Tiepolo. I dipinti. Opera completa, Venedig 1993, Nr. 415; Der Himmel auf Erden. Tiepolo in Würzburg, hg. von Peter O. Krückmann, Ausst.-Kat. Würzburg, Residenz [15.2.-19.5.1996], München und New York 1996, Bd. 1, Abb. S. 104, 109, 112). Auf der Vorderseite erscheint unten eine Nachzeichnung Giovanni Domenico Tiepolos nach der Personifikation der »Amerika«, die mit Federn und Halsketten geschmückt ist und einen glänzenden Silberteller in ihrer rechten Hand hält. Die Pflanzen im Füllhorn, das der Mann unterhalb von ihr hochhebt, werden nur mit einigen kurzen Zickzacklinien am nackten Oberschenkel und der Draperie links daneben angedeutet, da seine gesamte Darstellung keinen Platz auf dem Blatt fand. Dann drehte Giovanni Domenico das Papier um 180 Grad und zeichnete an der freien Stelle den knienden Mann aus dem rechten Teil des Freskos, eine der interessantesten Figuren dieser Partie: Er klettert mühsam an der illusionistisch gemalten Brüstung empor und schaut hinter einer rechteckigen Tafel, die er mit der linken Hand hält, hervor auf den fremden Kontinent. Vielleicht ist er der Europäer schlechthin (ein Abbild des die Treppenstufen hinaufsteigenden Betrachters selbst, der als erstes in Würzburg die »Amerika« sieht) und beobachtet hinter einer Steinplatte das bunte Treiben, insbesondere das Lagerfeuer mit dem Braten: Links neben ihm liegen die abgeschlagenen Köpfe als Hinweis auf den Kannibalismus dieser noch unzivilisierten Welt. Auch wurde in ihm zum einen ein Künstler vermutet, der sich hinter seinem Zeichenblock verbirgt, zum anderen vielleicht Robinson Crusoe, der American Indians bei ihrem Kannibalenmahl belauscht - die erste italienische Übersetzung des Robinson erschien 1741 in Venedig. Das Holzbündel rechts neben der Figur kehrt in einer weiteren der Stuttgarter Zeichnungen wieder (Inv. Nr. C 1484). Auf der Rückseite der Zeichnung erscheinen die »Afrika« sowie der Rückenakt und die zusammengelegten Hände des Mannes links neben dem Sklaven zu Füßen der »Asia« auf der gegenüberliegenden Seite des Treppenhauses. Im Vergleich mit den beiden männlichen Rückenakten Giovanni Battista Tiepolos (1696-1770) (Inv. Nr. C 1446, C 1447), die offenbar frühe Vorstudien zu diesem Mann sind, zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen dem Zeichenstil von Vater und Sohn, zwischen Vorzeichnung und Ricordo. Das Blatt wurde von Domenico in den Jahren 1752 und 1753 mehrfach in die Hände genommen, um dort, wo gerade noch Platz auf dem Papier war, jeweils eine Figur nachzuzeichnen: »Afrika« und der »Rückenakt« auf der Rückseite entstanden in der ersten Hälfte des Deckenbildes aus dem Jahre 1752. Die kleine Skizze am Rand links oben geht zurück auf die Frau, die einen Korb auf dem Kopf trägt und rechts neben dem weißen Krokodil erscheint, das der Mann in der 1753 gemalten »Amerika« über der Schulter trägt. Auch die »Amerika« und der »Kniende Mann« der Vorderseite sind erst 1753 entstanden.

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