Mühlhausener Altar (auch Prager Altar genannt)

Worum es geht

Beschreibung

Der Altar stammt aus der Veitskapelle in Mühlhausen bei Stuttgart. Reinhart von Mühlhausen hatte ihn zum Gedächtnis an seinen 1380 in Prag verstorbenen Bruder Eberhart in Auftrag gegeben. Laut rückseitiger Inschrift wurde er »am sant wenceszlaus tag«, dem 28. September des Jahres 1385, zur Einweihung der ebenfalls von Reinhart gestifteten Kapelle seiner Bestimmung als Hauptaltar übergeben. Geöffnet präsentiert der Altar drei böhmische Nationalheilige: Veit (als Märtyrer mit Palmzweig und Reichsapfel), Wenzel (als Herzog im Kettenpanzer und mit dem böhmischen Reichsadler auf Fahne und Schild) und Sigismund (als Kaiser mit Szepter und Reichsapfel). Geschlossen zeigt er zur Linken Christus als Schmerzensmann, dem sich der kniende Stifter empfiehlt, zur Rechten den von Maria und Johannes flankierten Gekreuzigten, in der Mitte die Verkündigung an Maria und darüber die Darstellung von Sponsa (Maria als Himmelsbraut) und Sponsus (Christus als königlicher Bräutigam). Auf der Rückseite befinden sich eine zweite Kreuzigungsgruppe, die Stifterinschrift sowie die Ganzfigurenbildnisse der Brüder Reinhart und Eberhart, die zu den frühesten porträtähnlichen Darstellungen Schwabens zählen. Die böhmischen Nationalheiligen auf der Festtagsseite lassen sich durch die Biographie der Brüder erklären. Beide waren nach Prag gezogen und hatten, nach Erwerb des dortigen Bürgerrechts, hohe Ämter in der Stadtverwaltung bzw. der Reichsregierung Karls IV. inne, ohne freilich jemals ihre Verbundenheit mit der württembergischen Grafschaft aufzugeben. Stilistisch gehört der Altar in den Ausstrahlungsbereich der Kunst des Theoderich von Prag, der als Hauptmeister der böhmischen Malerschule die gotische Formenwelt Mitteleuropas mit oberitalienischen Einflüssen verband. Gegenüber der offiziellen Prager Hofkunst neigt der Meister des Mühlhausener Altars mit seinen vereinfachten Stilmitteln und der Einbeziehung plastischer Schmuckelemente zu einer eher rustikal anmutenden, herben Formensprache. Stark ausgeprägt ist sein Gefühl für Proportionen. In den organisch entwickelten Bewegungen der Figuren drückt sich ein wachsender Sinn für körperhafte Präsenz aus, wozu die großen, zusammenhängenden Formen und der Verzicht auf Überschneidungen entscheidend beitragen. [EW] Zur Präsentation: Wir möchten darauf hinweisen, dass der Altar in wöchentlichem Wechsel (jeweils dienstags) gewandelt wird. Damit ergibt sich die Gelegenheit, innerhalb eines kurzen Zeitraumes sowohl die Außenansicht (Alltagsseite) als auch die Innenansicht (Festtagsseite) sehen zu können - dies entgegen mittelalterlichem Brauch, wonach die Präsentation der Festtagsseite auf wenige Feste des Kirchenjahres beschränkt blieb.

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