Worum es geht

Beschreibung

Transkription: 11. März 1915. Das ist wohl sicher, dass wir uns Alles sehr rasch übersehen. Namentlich auch das Eigene. Nun wird es Anderen genau so ergehen. Wie wir scharf an dem Ihrigen kritisiren, so sie an unseren Arbeiten, wobei man stets Recht und Unrecht, letzteres aus Unwissenheit oder Neid und Bösartigkeit einzurechnen hat. Aber immer dasselbe ist unmöglich. Ein Ausgleich wird dahin geschaffen, dass Neues erst nach und nach in die verschiedenen Kreise eindringt und sich dadurch länger, gewissermassen hintereinander erhält. Während das Beste aller Zeiten so sehr gehoben wird, dass die[,] die sich nicht mit Kunst beschäftigen, aber so thuen, als wenn es das Schönste ihres Lebens wäre, es immer als das Höchste[,] ja als das für immer Alleingültige hinstellen. Denken wir nur an die älteren Werke Beethovens, die einer gewissen Convention nicht entbehren. In unserer grossen Kriegszeit werden darum alle klassischen Werke mit einer bestimmten Andacht angehört, obwohl ich die Überzeugung habe, dass sich Viele dabei langweilen. Wie überhaupt beim Ansehen und Anhören von Kunstwerken. Und das nennen sie dann Kunstgenuss. Ich weiss, dass viele gebildete Kreise die Galerieen ihrer Vaterstadt meiden und dass sie lieber in die modernen als in die alten Galerieen gehen; obwohl sie bei jeder Gelegenheit "ja die alten Meister" im Munde führen. Man ahnt gar nicht wie seicht und oberflächlich bildende Kunst genossen wird. Im Theater, im Concert muss man aushalten, auch wenn die Gedanken ganz wo anders sind. Malereien aber, wie flüchtig und oberflächlich werden die angesehen und wenn Einer 2 oder 3mal davor gestanden hat oder der Finger beim Umblättern im Hefte kaum trocken [linker Rand quer] ist, dann sagt er schon: ich habe die Sachen studiert.

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