Worum es geht

Beschreibung

Vom ehemaligen Hochaltar der Stiftskirche Unserer Lieben Frau in Herrenberg haben sich die beidseitig bemalten Doppelflügel (Inv. Nr. 1523 a-d), die Ecküberhöhungen und die dreiteilige Predellenrückseite (Inv. Nr. 1523 e) erhalten. Das Gesprenge (aus phantasievoll zusammengefügten Architekturgliedern bestehender Aufbau über dem Mittelschrein), die Predellenvorderseite und der geschnitzte Schrein, in dem sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine je von zwei Heiligen flankierte Strahlenmadonna mit Kind befunden hat, sind verloren. Die beiden seitlich der Ecküberhöhungen angebrachten geschweiften Abschlüsse mit der Verkündigung an Maria sind spätere, allerdings noch vor Mitte des 16. Jahrhunderts entstandene Zufügungen. Die Brüder vom Gemeinsamen Leben, eine klösterliche Gemeinschaft von Weltpriestern und Klerikern, hatten den Altar 1517 bei Jerg Ratgeb in Auftrag gegeben. Wie urkundliche Quellen belegen, bezieht sich die auf den Ecküberhöhungen (vorn und hinten) zu seiten des Monogramms angebrachte Datierung (1519R) nicht auf die endgültige Fertigstellung des Altars, die sich wohl bis in das Jahr 1521 hinzog. In geschlossenem Zustand präsentiert sich der Abschied der Apostel. Der biblisch nicht überlieferte Abschied der reisefertigen oder bereits auf der Wanderschaft befindlichen Apostel findet vor einer weiten Weltlandschaft statt. Einmal geöffnet (bei geschlossenen Innen- und geöffneten Außenflügeln) zeigt der Altar die Passion Christi. Der linke Flügel vereint das Letzte Abendmahl mit den Darstellungen von Christus am Ölberg und seiner Gefangennahme. Die Geißelung, Dornenkrönung und Verspottung Christi schließen sich an; das Verhör Christi durch Pilatus und seine als Ecce homo bezeichnete Zurschaustellung begegnen als verkleinerte Nebenszenen auf der gleichen Tafel. Der nächste Flügel schildert die Kreuzigung, außerdem die Kreuztragung und Grablegung. Abgeschlossen wird die Passionsfolge durch die Darstellung der Auferstehung Christi, die Matthias Grünewalds themengleiche Komposition auf dem Isenheimer Altar voraussetzt. Die Noli-me-tangere-Szene (die Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena am Ostermorgen) und die Totenerweckung der Heiligen finden sich im Hintergrund der Tafel. Der gesamte Passionszyklus nimmt deutlich Bezug »auf das sacramentum, auf das Mysterium von Einsetzung, Besiegelung und Fortwirken des Opferwerkes Christi und dessen unblutige Erneuerung im Messopfer auf dem Altar.« Die Festtagsseite zeigt bei zweimal geöffneten Flügeln zu seiten des Schreins Szenen aus der Vorgeschichte bzw. Kindheit Christi unter Einbindung der Marienthematik. Die Begegnung von Joachim und Anna an der Goldenen Pforte, der Tempelgang der Maria und die Heimsuchung ordnen sich dem Hauptereignis des linken Innenflügels, dem Verlöbnis von Maria und Joseph, unter. Der rechte Innenflügel schließt mit der Beschneidung Christi, der vorangegangenen Darbringung im Tempel und der auf die Passion vorausweisenden Flucht nach Ägypten die Szenenfolge der Festtagsseite ab.

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