Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Stuttg 12 Juni 1920 - LHM, Mein Glück über Ihren Brief war sehr in der Gegend des Übermuts - verzeihen Sie dies dem Tänzer, der aus dieser Gegend sich nährt, den aber ein paar Fixierungen u ironischer [...] eines im Parterre Sitzenden bald stocken, verlangsamen bis zuletzt stecken u stehen zu bleiben zwangen. (Burger heißt ursprüngl. Stockburger; wie sie ihren ursprüngl. Hotzel mit aufhellendem Strichpaar der Lieblichkeit nachhalf, wenn er den Schwung). Doch der Tänzer u Dyonisier bin ich u der Blick der Apollinischen. den ich meine wäre das ewig hängende Damoklesische Schwert über mir, unter mir die stete Angst dem realen Bein ein imaginiertes gestellt zu bekommen; Hoch = wie Übermut kommt vor dem Fall. Ich muß des schmalen Pfads der auch hier nicht verboten ist, erst inne werden daß es eine Tugend ist und nicht von der Not erst dazu gemacht wird. Was ehedem geheimer Tanz des Herzens war, wird bloßgestellt, um den ach wie freien gegen einen erd- raum u zeit Gebundenen zu Tauschen. Sehen Sie den ästh. Zweifler? Einst war mir der Tanz das Unzeitgemäßeste und ich muß mich wundern wie es zuging daß diese ererbte wie aus schlechtem Gewissen verleugnete bis gehaßte Seite meines Wesens so vordergründlich werden konnte. Einer Verlockung einen Finger gereicht - und der ganze Mann sinkt dahin! Ist es erfreulich oder schauderhaft, zu denken daß der Finger einer unter 10, die Verlockung eine unter wie vielen? ist? Lebt man - oder wird man gelebt? Die Unruhe über Möglichkeiten des Lebens und Entschlußunfähigkeit-oder-unmut zu keiner bestimmten in Kenntnis u Lockung so vieler müßte in Stoizismus oder Wahnsinn enden, wo unwesentlich, vollends in letzterem, * was man tue, wie auch * wie es. In dieser Verbindung wollen Sie die Skepsis gegen das Ästhetische nehmen, das ich wirklich als eine Verästelung des Ethischen, dieses als Baum oder Tiefer: Wurzel betrachtet, gegenwärtig sage. Ich müsste mich von Schiller ästh. erziehen lassen vielleicht; möglich daß ich zu lange u ungewußt gespielt, möglich daß sich die Skepsis gegen die Hegemonie der Form richtet die der Idee nicht länger entbehren kann: das "Thema" bekäme neues Wasser auf die alte Mühle. Gleichwol also zum Tanz. Es ist leichter zu springen als darüber zu denken. Der Ursprung des Sprungs? Wie bekannt war der Tausendfüßler gelähmt als er sich auf den 365. fuß besinnen sollte. Aber der Tausendfüßler denkt ja nicht oder doch einfältig, das zweifüßige auch nicht u der dann tausendfältig. - Der Sprung also: eine Art Satz vom Freunde um umso gründlicher auf ihm zu stehen. - Es giebt 2 Arten von Sprung: den Hochsprung u den Weitsprung. Nach Zwecken geordnet (also eth.) hat solche nur letzterer: ein Ziel in Luftlinie mit Sätzen u Absetzen, je weniger u länger desto besser zu erreichen, hin oder her. Des Hochsprung hat kein Ziel als notgedrungen zurückzukehren, zwecklos (also ästh.) Dort Schnelligkeit, hier Schnellen, als Antrieb zum Sprung. Verbindung von Hoch- u Weitsprung, Zweck u Schönheit: vielleicht Versuch den Sprung zu continuieren. Ist nicht der Sprung der vereitelte Versuch zu fliegen? in eine höhere Conituität als die zu stehen zu gelangen. Wenn vom Sprung die Rede ist dürfte der Allerweltspringer Floh nicht vergessen werden. Macht doch auch diese Tierspecies Theater, freilich unter der Direktion Mensch. Sind dessen Springmuskeln nicht Ersatz für Flügel? Sie weisen mich darauf den Tanz als Gleichnis zu nehmen. So wäre es freilich der steter Verwandlung, und wenn beharrend in Kürze so nur um zu neuer Veränderung zu schreiten, Aber gegenüber dem unerrechneten unzurechnungsfähigen Tanz durchs Leben, Raum, Zeit u Körper desselben welche Gebundenheit dieser und welche Apollinik gegenüber jenem. Sieg des Ästh.? - Ich bin von der Geometrie des Flächenbilds zum halbplastischen (Relief) geschritten zu (auch einer Art) Rundplastik der menschl. figur. (Das Paradox mag sich erweisen daß je plastischer desto flacher, das Flächenbild das plastischste war). Doch bleibt noch eine Geometrie der Tanzbodenfläche, wenn auch nur als Teil u Projektion der räumlichen Stereometrie. Auf dem Klavier treibe ich eine ähnliche Geometrie der Finger u Tasten, und bemühe mich so um Identität oder Einheit von Bewegung und Körperform und Musik. Vielleicht eben Ihnen ein Bild die gedachten (u. zT. gemachten ) Figurinen. Die Bühne schwarz, citron oder weiß (total) aufgehängt; Variationen zu kleineren Teilen orange, rosa; grün. Die Bodengeometrien: Können Sie sich eine Vorstellung machen und war die Ihrige eine andre von der Sache?

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