Zwei stehende Männer; verso: Pausen nach den Figuren der Vorderseite und rechts oben Skizze zu einer Opferung Isaaks, 1726

Worum es geht

Beschreibung

Das Blatt gehört zu einer ganzen Reihe früher Studien in Feder, die sich alle durch vehemente Parallelschraffuren auszeichnen. Im Unterschied zu späteren Federzeichnungen, in denen Tiepolo zur Körpermodellierung und Schattengebung fast ausschließlich die Lavierung verwendet, experimentierte der Künstler in seiner Frühzeit mit verschiedenen Zeichentechniken. Zwischen etwa 1718 und 1725 entstanden häufiger großzügig und locker gesetzte, diagonale Schraffuren, die zuweilen auch in Zickzacklinien, wie etwa hier am hochgerafften Mantel des linksstehenden Mannes, erfolgen können. Stets jedoch bleibt die Konturlinie weitgehend das äußere Maß für diese Schraffuren. Bemerkenswert ist, welche große Sensibilität der junge Tiepolo für die verschatteten Gesichter und die Hell-Dunkel-Werte der Gewandpartien aufzubringen vermag. Zu beobachten sind Anklänge an den Zeichenstil von Sebastiano Ricci (1659-1734) und Gaspare Diziani (1689-1767), aber auch an den der Bolognesen Donato Creti (1671-1749) und Giuseppe Maria Crespi (1665-1747). Darüber hinaus scheint es eine Verbindung zu Louis Dorigny (1654-1742) zu geben, einem Franzosen, der von 1677 an zehn Jahre in Venedig lebte, bevor er nach Verona übersiedelte; 1715 schuf er Fresken im Dom von Udine. In seinen Zeichnungen, vermutlich ebenfalls Inspirationsquellen für Tiepolo, findet sich eine ähnlich ausdrucksvolle Verwendung der Parallelschraffur. Vermutlich gehört die Skizze auf der Vorderseite des Blattes in den Entwurfsprozess eines um 1718/20 entstandenen Gemäldes »Krieger vor einem Priester« in Privatbesitz in Pordenone (Massimo Gemin und Filippo Pedrocco: Giambattista Tiepolo. I dipinti. Opera completa, Venedig 1993, Nr. 10). Dort stehen in der Bildmitte zwei einander zugewandte Personen, ein Krieger und ein Mann im langen Mantel, allerdings seitenverkehrt zur Zeichnung. Vergleichbar sind jedoch vor allem die Motive der zueinander geneigten Köpfe, des gerafften Mantels, des vorgestreckten Armes und Beines des Soldaten - in der Zeichnung ist auch er durch das Schwert ausgewiesen - sowie des Helmbusches. Die Köpfe der Zuschauer links neben den beiden Männern in der Skizze zeigen ebenfalls Verwandtschaft mit denen links unterhalb der Gruppe im Gemälde. Die stark beschnittene Darstellung der Rückseite mit der »Opferung Isaaks« hingegen steht im Zusammenhang mit einer der Grisaillen Tiepolos in der Cappella del Sacramento im Dom von Udine, für die am 4.6.1726 der Auftrag erteilt wurde (ebd., Nr. 76). Die das Messer umgreifende Hand entspricht der Abrahams im Fresko, Isaak hingegen erscheint seitenverkehrt und mit etwas anderer Armhaltung; dennoch ist der Bezug zur Zeichnung deutlich. Vielleicht hat Tiepolo 1726 das Blatt erneut in die Hand genommen, um die Skizze auf der Rückseite zu zeichnen und dabei die Figuren der Vorderseite, die er durchpauste, in etwas anderer Form noch einmal benutzt, denn einander zugewandte, disputierende Gestalten in langen Mänteln, diesmal nach links gerichtet, finden sich auch in den monochromen Fresken im Castell von Udine wieder, die ebenfalls um 1726 entstanden sind (ebd., Nr. 79; vgl. ausführlich Stuttgart 1996, Nr. 2).

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