Der Tod als Kinderräuber

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Worum es geht

Beschreibung

Eine junge Mutter schläft mit ihren kleinen Söhnen in einem Bett mit auffällig erhöhtem Kopfpolster. Ihre Arme umfangen die nackten Körper beider Kinder. Den schlichten Kastenraum erhellt rechts eine metallene Öllampe auf einem Nachttisch. Darauf liegen auch ein mauvefarbenes Kleidungsstück sowie ein länglicher, mehrfach gewellter Papierstreifen, möglicherweise ein Manuskript oder Notenblatt? Durch das offene Fenster beugt sich ein Gerippe von außen in das Schlafgemach. Es schiebt den Vorhang aus dunkelgrünem Stoff zur Seite und streckt seine knöcherne Linke nach dem älteren der beiden Knaben aus. Über seiner rechten Schulter trägt der Knochenmann ein weiteres Kind, das er zuvor geraubt hat. Durch das Fenster werden Sträucher mit surreal leuchtenden weißen Blüten sichtbar. Darüber erhellt ein gelblicher Mond den Nachthimmel. Literarische Grundlage dieser Darstellung des Todes als Kinderräuber ist ein Text aus dem Alten Testament. Bei Jeremia 9:21 heißt es: »Der Tod ist zu unseren Fenstern eingefallen und in unsere Paläste gekommen, die Kinder zu würgen auf der Gasse und die Jünglinge auf der Straße«. Mit dem Tod in Gestalt eines Gerippes greift Hartmann, höchst ungewöhnlich für einen in der Tradition des Stuttgarter Klassizismus ausgebildeten Künstler, die drastische Ikonografie des Totentanzes auf. Sie hat zum Beispiel durch eine Holzschnittfolge nach Entwürfen Hans Holbeins des Jüngeren (1526) große Verbreitung gefunden. Ein Blatt daraus zeigt, wie der Tod als Knochenmann einen widerstrebenden Knaben bei der Hand packt und ihn mit such fortführt. Mit Hartmanns Gemälde »Der Erlkönig nach Goethe« (Inv. Nr. 706, Kriegsverlust) besaß die Staatsgalerie ursprünglich zudem eine Darstellung des bekanntesten Kindstodes der deutschen Literatur. Der Historien- und Bildnismaler Christian Ferdinand Hartmann (Stuttgart 1774-1842 Dresden) ist seit 1786 Schüler der hohen Karlsschule, wo er Malerei bei Philipp Friedrich Hetsch studiert. 1794-1798 Aufenthalt in Rom. 1803 lässt er sich in Dresden nieder, wird 1810 Professor der Dresdener Kunstakademie und ab 1825 deren Direktor.

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