Kopf eines bärtigen Orientalen

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Worum es geht

Beschreibung

Das Blatt stammt aus der Sammlung des Gregori Vladimirovitch Orloff (1777-1826) und ging später in den Besitz seines Nachfahren Prinz Alexis Orloff (geb. 1867) über; das sogenannte Orloff-Album mit 96 Zeichnungen wurde 1920 in Paris veräußert. Hier wird nicht nur das außergewöhnliche zeichnerische Können Giovanni Battista Tiepolos, sondern auch sein hohes Einfühlungsvermögen in die Individualität eines Menschen eindrucksvoll vorgeführt. Aus einem hohen Mantelkragen heraus blickt ein alter Mann den Betrachter aus schmalen müden Augen an. Um seinen Kopf ist ein turbanartiges Tuch geschlungen. Das Gesicht ist übersät von Runzeln und Falten, die zum Teil fast nicht von den struppigen Haaren des langen Bartes zu trennen sind. Kein Konturstrich hält die Gesichtszüge zusammen und es entsteht der Eindruck, als werde das Haupt nur noch von der Kopfbedeckung und dem kissenartigen Kragen wie schützend umfasst, so sehr öffnen sich die Linienverbände. Trotz seiner Monumentalität wirkt der Greisenkopf demzufolge eher zerbrechlich, die Vergänglichkeit des Lebens wurde ihm buchstäblich »ins Gesicht geschrieben«. Der spröde Strich der dickeren schwarzen Kreide, welcher die borstigen Barthaare beinahe fühlen lässt, und eine vor allem die rechte Gesichtshälfte betonende weiche Höhung in weißer Kreide stehen in spannungsreichem Gegensatz zueinander. Eine vergleichbare Rötelzeichnung eines alten bärtigen Mannes von der Hand Giovanni Battistas befindet sich im Fogg Art Museum zu Cambridge (Inv. Nr. 1946.52; Tiepolo and His Circle. Drawings in American Collections, bearbeitet von Bernard Aikema, Ausst.-Kat. Harvard University, Cambridge/Mass. [12.10.-15.12.1996] u.a., Cambridge/Mass. 1996, Nr. 110). In ihr tauchen sowohl das Motiv des geknoteten Turbans, als auch die zerlaufenden Striche, die das Gesicht kaum mehr zusammenhalten, wieder auf. Zudem hat Tiepolo dort seine Technik verfeinert, indem er den Rötel zum Teil mit Wasser mischte, um eine zarte Lavierung zu erhalten. In unserem Blatt hingegen übernimmt die weiße Kreide diesen Effekt. Der Sohn Giovanni Domenico Tiepolo (1727-1804) hat die Zeichnung in Cambridge als Vorlage für eine seiner Radierungen in der »Raccolta di Teste« verwendet, einer Folge von 60 Graphiken, die zum größten Teil auf Gemälden und Zeichnungen des Vaters beruhen; sie wurde erstmals 1770 publiziert (Aldo Rizzi: The etchings of the Tiepolos, London 1971, Nr. 202). Im Zusammenhang mit dem »Kopf eines bärtigen Orientalen« steht offensichtlich auch eine weitere Kreidezeichnung in Schwarz aus dem Umkreis Tiepolos im Nationalmuseum von Warschau, die ebenfalls den zerfurchten Kopf eines alten Mannes im Dreiviertelprofil nach links zeigt, gehüllt in seinen Mantelkragen und ein locker gewundenes, turbanähnliches Gebilde auf dem Kopf (Disegni veneti in Polonia, hg. von Maria Mrozinksa, Ausst.-Kat Fondazione Giorgio Cini, Venedig [1958], Venedig 1958, Nr. 45 als Mitarbeiter Tiepolos). Vergleichbar unter den gemalten Köpfen von Orientalen ist ein Giovanni Battista zugeschriebenes Gemälde, das sich wie die Stuttgarter Zeichnung ehemals in der Sammlung Orloff befand und jetzt in der Nationalgalerie Prag aufbewahrt wird; in ihm erscheint ein nach links ins Dreiviertelprofil gewandter Greis mit hochgeschlagenem Mantelkragen (Massimo Gemin und Filippo Pedrocco: Giambattista Tiepolo. I dipinti. Opera completa, Venedig 1993, S. 509, Nr. 45 jedoch als nicht Giovanni Battista). Auch hiernach schuf Domenico eine seitenverkehrte Radierung in der »Raccolta di Teste« (Rizzi 1971, Nr. 187).

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