Worum es geht

Beschreibung

Giuseppe Bossi gehört zu den italienischen Künstlern, die an der Wende des Spätbarock zum Klassizismus stehen. Das mittels der Arme eng um- ja nahezu miteinander verschlungene Paar wird über einer Unterzeichnung in schwarzer Kreide in klar geführten Federstrichen wiedergegeben. Das durch die Tanzbewegung leicht flatternde Gewand der Frau erfährt, um ebendiese Bewegung zu unterstreichen, zusätzlich einige leichte Schraffurstriche. Ehemals aufgrund der überschriebenen Bezeichnung rechts unten (Bossi; geändert in: Bosio) dem Franzosen Jean-François Bosio (1764-1827) zugeschrieben, zeigt die Zeichnung jedoch typische Stileigenheiten Bossis, der an der Accademia di Brera in Mailand studierte und zwischen 1785 und 1801 in Rom war. Vergleichbar zu unserer Zeichnung ist ein Blatt mit »Von einem Balkon blickenden Figuren«, das zu seiner »Apotheose des Giambattista Bodoni (1740-1813)« gehört (Parma, Biblioteca Palatina; die Zeichnung Los Angeles, The J. Paul Getty Museum, Inv. Nr. 96.GA.336; Nicholas Turner: The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, European Drawings, Bd. 4, Los Angeles 2001, Nr. 5, Abb. S. 15). Bossi begeisterte sich für Leonardo da Vinci: So ließ er, beauftragt vom Vizekönig Italiens, Eugène de Beauharnais, da Vincis Mailänder »Abendmahl« in Mosaik übertragen (heute Wien, Minoritenkirche), dazu entstanden Pausen danach, die sich heute in der Klassik Stiftung Weimar befinden (Von Leonardo fasziniert. Giuseppe Bossi und Goethe, bearbeitet von Hermann Mildenberger und Serena Zanaboni, Ausst.-Kat. Schiller-Museum, Weimar [26.8.-13.11.2016], Dresden 2016) und verfasste eine Abhandlung darüber (Del cenacolo di Leonardo da Vinci, Mailand 1810). Und auch als Kunstfälscher legte er Hand an, so soll das sog. »Selbstbildnis« Leonardos von ihm stammen (Turin, Biblioteca Reale, Inv. Nr. 15571; Hans Ost: Das Leonardo-Porträt in der Kgl. Bibliothek Turin und andere Fälschungen des Giuseppe Bossi, Berlin 1980). Unsere Zeichnung hat eine bemerkenswerte Provenienz, gehörte sie doch ehemals Edwin Redslob (1883-1973), ab Oktober 1919 für kurze Zeit Generaldirektor der Stuttgarter Museen. Als überzeugter Anhänger der modernen Kunst ordnete er unter anderem die Staatsgalerie neu und hängte - kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs - alle pompösen Schlachtenbilder ab, was in der Bevölkerung zu teilweisem Unmut führte. Auch sein Engagement zur Berufung von Paul Klee als Nachfolger Adolf Hölzels an die Stuttgarter Akademie stieß auf Kritik. Redslob verließ Stuttgart schon 1920 und wurde bis 1933 Reichskunstwart.

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