Grablegung Christi - Christus in der Vorhölle - Christus als Bezwinger des Teufels (Verso: Detailskizzen)

Worum es geht

Beschreibung

Diese Federzeichnung ist eine Ideenskizze Jerg Ratgebs, des Meisters des »Herrenberger Altars« (Inv. Nr. 1523 a-e). Sie zeigt drei Szenen religiösen Inhalts, deren verbindendes Thema jeweils die Hauptfigur Jesus Christus als Leidender und als Erlöser ist. Auf der linken Hälfte des Blattes ist die »Grablegung Christi« dargestellt. Die rechte Seite des Blattes enthält zwei Szenen: im Hintergrund » Christus in der Vorhölle «, wie er dem ersten Menschenpaar Adam und Eva die Hände reicht. In der mittelalterlichen christlichen Vorstellung, die nach dem Verbleib der Seele Christi zwischen Karfreitag und Ostern fragte, stieg Christus in der Nacht nach seiner Kreuzigung in die Vorhölle hinab und befreite die Seelen der Gerechten seit Adam (vgl. Dürers Holzschnitt Inv. Nr. A 1949/701). Im Vordergrund zeichnete Ratgeb eine ungewöhnliche Szene, die im Gegensatz zu den anderen Episoden nicht zu einer »Passionsfolge« gehört: »Christus bezwingt den Teufel« und kettet ihn an einen Felsen. Dem Teufel entflieht ein Pesthauch mit dämonischen Flügelwesen aus dem Mund und Spielkarten und Würfel als Symbole des Lasters fahren ihm aus dem Hintern. Auf der Rückseite des Blattes wird die Szene fortgesetzt. Die detailreiche und lebhafte Ausarbeitung einzelner Elemente ist charakteristisch für die Gestaltungsweise Ratgebs. Detailliert ausgearbeitet sind das Gesicht des Nikodemus vorn in der »Grablegung« mit seinen Falten und sein Gewand mit dem Brokatmuster, und die Gestalt des Joseph von Arimathia, der den Oberkörper des Leichnams hält. Dagegen sind Gesichtszüge und Gewand des Johannes hinter dem Sarkophag nur skizzenhaft angedeutet (vgl. den Holzschnitt aus Dürers »Großer Passion« (Inv. Nr. A 1949/703). Ratgeb betont die Expressivität der Bewegungen und die nicht idealisierten Gesichter, wobei zugunsten des Ausdrucks körperliche und perspektivische Genauigkeit mitunter außer Acht gelassen werden. Die Konturen der Kleidungsstücke sind durch lange, klare Linien umrissen während der Körper Christi durch viele kurze, expressive, mehrfach ansetzende Bögen charakterisiert wird. Die Binnenkonturen der dargestellten Objekte sind auf die Hauptlinien begrenzt, wobei auf modellierende Schraffuren verzichtet wird. Während Ratgeb die Szene der Grablegung durch die Wiedergabe zeitgenössischer Kleidung und Accessoires in seiner eigenen Gegenwart verortet, geschieht dies auf der rechten Seite durch die Figur des Teufels: Die abgeschlagene Pranke, der gedrungene, massige Körper, der Schweif und die Fratze des Wesens - das die Tiara, die päpstlichen Krone, auf dem Haupt trägt - erinnern an einen Löwen. Ratgeb bezieht sich hier auf die aktuelle reformatorische Bildpropaganda, die den römische Papst mit dem Antichristen gleichsetzte. Der 1521 verstorbene Papst Leo X. wurde mit Löwenkopf und Tiara dargestellt, so auf dem Flugblatt Leo Papa Antichrist von 1520. Außerdem stellte Lucas Cranach d. Ä. in seinen Holzschnitten im 1522 erschienen Septembertestament , der Bibelübersetzung Martin Luthers, apokalyptische Monstren mit der Tiara dar. In der heroischen Christusfigur nahm Ratgeb Anregungen aus zwei Holzschnitten Albrecht Dürers auf: der alttestamentarische Held Samson, der den Löwen tötet (Inv. Nr. A 1991/6573), und » Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund« , der im Schlussblatt der »Apokalypse« den Teufel mit einer Kette gefesselt hat und im Abgrund einsperrt (Inv. Nr. A 2002/7144). Die Zeichnung Ratgebs vereinigt vielleicht Teilentwürfe für ein größeres Gemälde. Hinweise für eine Datierung geben einerseits die stilistische Nähe zum »Herrenberger Altar «, andererseits der aktuelle Bezug auf Papst Leo X. Der 1526 wegen seiner Parteinahme für die Bauern im Bauernkrieg gevierteilte Jerg Ratgeb äußert durch seine Zeichnung das damalige Bedürfnis nach Erlösung und Befreiung durch die Darstellung der Überwindung des als Teufel und Antichrist charakterisierten Papstes. [B.Bitsch/HMK]

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