Worum es geht

Beschreibung

Transkription: ascona 18.8.27 casa fantoni-piazza LoHoMo.l.h.m.- die zeichen bedeuten weiter nichts als den versuchs, chicagos herr zu werden.-- erst heute "komme ich. dazu" muse zum schreiben zu haben.- die ersten welle waren im zeichen der ankunft und des neuen. dann kam die welle der besuche meiner frau. 4koefpige verwandte. ein tumultoeser junger musiker reiste eben ab. es verebbt.- doch sind die kinder. die kueche. die immer noch zahlreichen bekannten fremden genug der ab-und zulenkungen-- dennoch: immer mutig! sprach der hahn zum regenwurm und fras ihn auf. also in ascona anwesend. abgestiegen. haengen geblieben. sowiesoda sind u.a.: dr. gidion---- moholy und frau, breuer-bauhaus und frau. noch einer von bhs. seine freundin, emil ludwig., hausenstein. der soeben 500 seiten über rembrandt schrieb, familie cromelinck, dramatiker modern. sonst paris-bruessel. der dichter nebel vom "sturm" (laecheln oder lachen Sie?) andere saenger. barone. grafen. taenzer, tanzende comtessen, maler und innen, asconeser. tessiner, fischer und schiffer, chauffeure. usw------- (haben Sie ein bild?) ferner der kapellmeister scherchen und seine neue frau die schauspielerin gerda mueller. beide kenne ich. letztere von der volksbuehne ersteren von da und dort. mit ihm arbeite ich taeglich einige zeit musik-tanz-zahlen - theorien, auf seinen wunsch und anregun und es ist anregend. wol fuer beide teile.- mit den uebrigen genannten komme und kam ich wenig oder gar nicht in beruehrung. ausserdem ist der kunsthaendler nierendorf von berlin da. mit diesem, gidion und moholy ein gespraech ueber Sie. gidion setzt sich tatsaechlich sehr fuer Sie ein. insbes. gegenueber dem haendler. den er wol bestimmen wird koennen. die ausstellung in berlin zu machen. gidion sagt erklaerend zu ihm: "fragmente"! durchaus fragmente,-- nierendorf: "er ist fuer alles zu haben. wenn er spuert, dass ein kerl dahinter steht". moholy sah Ihre sachen bei haefeli. "intime, eigenbroedlerische sachen" (ich spuerte sehr. dass er nichts damit anfangen konnte und nur aus einem zurzeit besoders guetigen und toleranten gesamtgefuehl heraus, leben laesst, was etwas zu sagen hat und es sagt. sozusagen. neben den modernen bestrebungen. die auf klarheit. organisation. helligkeit des lebensgefuehls und seiner ausdrucksweisen ausgeht, darf oder muss es auch solche kaeuze geben (dies dem sinn. dem unausgesprochenen nach). ich bestaetigte nierendorf den "kerl", berichtigte bei gidion das nicht nur fragmentarische, und bei moholy das nicht nur intime. g. sagte mir unter uns. dass er "noch nicht" in der verfassung waere, ueber Sie zu schreiben. was er aber unbedingt wolle. dass es sehr schwer waere, einzudringen in Ihr ganzes. vielleicht setzt sich das gespraech naechstens fort und ich berichte Ihnen. sowie ich berichtigend fortzusetzen denke. die reise ging gut von statten. tut und die kinder sind braungebrannt und es geht allen sichtlich gut. ascona ist im bezug auf freiheit des lebens und der bewegung. kleidung etc. wol einzig dastehend in dieser gegend und wol auch anderer- die asconeser sind durch die sonderbaren kaeuze. heiligen. natur. postel. maler scheints an alles gewoenht. sodass nichts und niemsnd mehr auffaellt. ich glaub. dass Sie diesen zustand zu schaetzen verstehen. hier waeren Sie z.b. nur eben "auch einer" und ein sehr nomaler im bezug auf kostuem. ich moechte fast sagen: warum nicht bei ascona? es ist aussserdem ein sammelnder baron von der heydt hier. der gleich einen ganzen berg mit casas besitzt. den monte verita. und das nahe locarno ist die groessere stadt im hintergrund. 1/2 std. mit dem genannten kapellmeister! (uebrigens einem von weltruf) betreibe ich also gespraeche. die auf eine realisierung hinauslaufen sollen. es begann mit meiner aufforderung. zum ballett musik zu schrieben. er komponiert indessen z.zt nicht oder wenig. moechte zwar einen "abraham" orptorien. den er sich phantastisch vorstellt und ueber unsere zeit hinausragend. umfassend, einbeziehnd vieles der detailprobleme unserer zeit.- er wuenscht. dass ich neues schaff und nicht an dem triadischen haengen bleibe. was leichter gesagt als getan ist. auf der suche nach stoff, gegenstand, motiv kam er eines tages mit der "grossen fuge" von beethoven. die er mir ganz vorhumste (nicht spielte. wie ueberhaupt ich keinen ton als auf diese weise von ihm hoerte). er schaetzte diese als eines der letzte werke beeth. ausserordentlich und ich muss sagen. dass die durchfuehrung und verzweigung des themas. dramatiesierung auch nicht zu vergessen, schoen bis herrlich zu nennen ist. mich reizt der versuch einer graphischen darstellung der notenschrift. die ich eben so empfinde und er zeichnete einen teil davon interessant auf. so, das ich instinktiv fragen musste. warum die partituren nicht so geschrieben seien und wuerden. es sei doch scher zu lesen, meinte er. dann meinte er. diese fuge zu tanzen und zwar musiklos. so dass die taenze die musik innerlich zaehlten. was seiner meinung nach einen ungeahnten effekt geben muesse. ich frage mich. ob die nicht zu hoerende musik, wofuer sie doch gemacht. unterlage bilden solle und koenne fuer nur optischen und bewegungseindruck. im weitern meinte er dann. das ganze nicht mit menschen zu machen (er arbeitet mit einem taenzer zusammen und meinte allgemein. dass die heute eben nicht koennten) sondern mit mechanischen formen und hierum dreht sich nun ein gut teil unserer gespraeche. ueber die formen an sich. ihre farbe. die zahl. (er ist ein freund der zahlenmystik und beschaeftigt sich z.b. mit dem geheimnis der primzahlen. fuer der gesetzauffindung ein preis von 100 000 M ausgestzt sei. es ist die aufeinanderfolge der unteilbaren zahlen und deren geheimer rythmus,- es ist also die folge der 1 3 5 7 11 13 17 19 23 31 usw., zahlen. die durch keine der vorhergegangenen teilbar sind und insofern also primaer genannt werden. (dies ist indessen nur ein teil und detail der zahlenfragen ohne direkte beziehung zu unserer sache.) er stellt sich also ein form-und farbengebild. raeumlich, vor. mechanisch bewegt. das nach der fuge funktioniert. wuenscht ein modell dafuer zu schaffen. aber ich habe kein arbeitszeug hier zur hand. abgesehen davon dass ich nur zu gut weiss. was ein solcher gut praezisefunktionierender apparat kostet. denn in einiger groesse muss ein solcher ausgefuehrt werden. ich sage in der groesse beethovens mindestens.- heute werden uns 4 farbstifte. rot blau gelb gruen und ein quadriertes papier weiterhelfen. ich weiss nicht, ob Sie sich in der sache schon zurechtfinden nach dem wenigen. ich wuerde Sie gerne einladen. mitzutun. geistweise, per distance, beratend, meinend, ab-und zuwinkemd.--- Kurz zu Ihrem brief: es freut mich dass Sie das theatralische geoeffent und etwas davon hatten. das buechlein "tanz und reigen" hat hier ein literat mitgenommen. so dass ich erst von ihm zurueckbitten muss. ich werde es nicht vergessen. leibbrandt den "taenzer".-ja! gantner-- werde ich schreiben, ob und wann ich in zuerich sein kann. vorlaeufig ist mir abreise noch kein angenehmer begriff. der intendant heisst weichert--- der schul-und galeriedirektor wichert. mit diesem korresondierte ich. schrieb, dass ich in amden sei und setzte in klammer Ihren namen und die frage wann Sie in deutschland wol zu kenntnis und wertung kaemen. sozusagen "apostrophiert" also, umsomehr freut mich, dass dies der effekt ist. da ich auch wichert schreiben muss, werde ich ergaenzen. vollenweiders einladung ist ein weiteres plus, rueckreisend ueber zuerich zu fahren. lustig ist die von v. in aussicht gestellte moeglichkeit, huber kennen zu lernen (da ich ihn ja doch kenne, allerdings nicht die familie). ich kann mir kaum vorstellen, wie die bewegungen von menschen aussehen moegen, die etwas das an der haengt und wie und haengt - nicht sehen, oder nicht wollen, oder so tun als ob.- nicht vorstellen kann ich mir, dass an meinen lieblingsstueck der diesmaligen session jemand von der art v.'s voruebergehe.-- damit sage ich also ein werturteil. aber ich sagtw Ihnen ja wol auch die ganze reiehenfolge der wertungen der fuenfe an der wand. die ich Ihnen eben wiederholen wollte und daran merke. dass ich wol viel und mehr als mir bewusst ist, gesagt haben muss. das erleichtert mir auch das herz bezgl. des fensters, ueber das ich wol gleichfalls mehr gesagt und geblickt habe als uns bewusst war. (stellen Sie mich aber dem herrn bruder als nicht alzu ungnaedig und kritisch dar!)-, auch mir war amden wieder eine labe und ach so seltene gelegenheit der aussprache, die ich vielleicht infolge eigener schuld sonst nicht und nirgends habe. Sie machen wenigstens den versuch allerorten- ich resigniere im vornhinein. kunstschriftst=kern--? vielleicht. ohne dass ich wuesste ob es der ist den ich meine und der mich einmal verfolgte. aber ich glaube er heisst kern. (nicht herbst!)---- kerbst? bstern?-----? der stock leistet mit gute dienste hier. aber mein gewissen schlaegt gewaltig wenn ich bedenke dass ich den andern um die stuetzende spitze brachte und sie nun quasie keinen haben!- leibflaeschchen vermisste ich bis heute nicht. also keine sorge. der kapellmstr. reist heute ab in einen ort bei locarno, wohin ich nun woechentl. 2mal wandern werde !1std. ich warf natuerlich auch haendel in die debatte- er gab trotz der relativitaet h.'s im zeitlichen sinne zu. dass dahin die neue musik sich bewege (beeth., meinte er. sei, eben der neuere mensch, er meinte wol der tragische. ich ruemte dagegen gerade das untragische bei h. oder wenn da, dann zum grossen stil geworden. fuer heute dies zum schluss. noch den DANK fuer Ihre grosse gastlichkeit bei meinem aufenthalt. den ich leider GROESSER nicht schreiben kann. vielleicht haben Sie muse, zu schreiben. ich haette die muse, es an stillen waldplaetzen oder in einer osteria bei chiantis gnade zu lesen. alles gute in bern. empfehlen Sie mich Ihrem herrn bruder. herzlichst ihr Oskar Schlemmer o! die vielen [...] Taxis! Was alles schulde ich wol? Wegen der Karte an Hölzel wollen wir doch so verfahren.

Text

Haben Sie Fragen oder Informationen zu diesem Objekt?

Kontaktieren Sie uns