Worum es geht

Beschreibung

Vor dem Hintergrund eines Teils des Kristiania-Fjords erscheint auf der Brücke der Maler selbst, der das Geschrei hört bzw. fühlt, selbst aber nicht schreit, sondern sich mit vor Schrecken weit aufgerissenem Mund und entsetztem Blick die Ohren zuhält - »Ich fühlte das grosse Geschrei durch die Natur«, wie es gedruckt unten auf dem Blatt zu lesen ist. Urängste der Menschheit, aber auch des Künstlers persönliche Angst vor dem Leben wie vor dem Tod, werden hier symbolisiert: »Ich fühlte einen lauten Schrei - und ich hörte wirklich einen lauten Schrei - die Luftschwingungen brachten nicht nur mein Auge in Schwingungen, sondern auch mein Ohr - denn ich hörte wirklich einen Schrei. Da malte ich das Bild ›Der Schrei‹.« Die »Schwingungen« setzte Munch in harschen Linien, die wie Schallwellen anmuten, in der Lithographie um, die noch in Berlin gedruckt wurde. Interessanterweise arbeitete er hier bereits mit Elementen des Holzschnitts, noch bevor er überhaupt mit dieser Technik in Paris ein Jahr später, 1896, in Berührung kommen sollte. Den Titel entnahm Munch einer Textstelle Arthur Schopenhauers, der angesichts einer Betrachtung der antiken »Laokoon«-Gruppe über die Unmöglichkeit der Darstellung eines Schreis sprach, da man diesen in der Kunst so nicht hören kann: In diesem Zusammenhang benutzte er auch den Begriff »Geschrei«. Dennoch hat sich mittlerweile der Titel »Der Schrei« (im Norwegischen ›skrik‹, im Englischen ›scream‹) eingebürgert, wohl auch in Zusammenhang mit dem 1918 publizierten ›Maler-Roman‹ »Der Schrei« von Stanislaw Przybyszewski: Dort bricht der Maler schließlich vor der Staffelei zusammen, ohne sein Bild vollendet zu haben. »Geschrei« folgte einem Eintrag in Edvard Munchs Tagebuch vom 22.1.1892 in Nizza, der jedoch seinerseits die Erinnerung an ein Ereignis ist, das er in Norwegen erlebt hat: »Ich ging mit zwei Freunden die Strasse entlang - die Sonne ging unter - ich fühlte einen Hauch von Wehmut. Der Himmel färbte sich plötzlich blutig rot - ich blieb stehen, lehnte mich todmüde gegen einen Zaun - sah die flammenden Wolken wie Blut und Schwerter - den blauschwarzen Fjord und die Stadt. Meine Freunde gingen weiter - ich stand da, zitternd vor Angst und ich fühlte, wie ein langer, unendlicher Schrei durch die Natur ging.« Der vormalige Besitzer des Blattes, der Braunschweiger Kaffeemagnat und Sammler Arthur von Franquet (1854-1931), notierte die beiden ausführlicheren Versionen des Textes, die auf die Rückseite des Stuttgarter Blattes hektographiert sind, jeweils in Norwegisch und Deutsch. Der Sammlerstempel Franquets befindet sich mittig unter dem Text.

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