Interzonenreisen

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Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Professor Dr. Grohmann Dresden A 20, Reicker Str. 33, am 26 August 1946 Bericht über unsere Interzonenreise 1 Steyr Grohmann 1 Steyr Grundig Abfahrt am 6. August 1946, 18 Uhr von der S.M.A. nach Erhalt der Interzonenpässe. Von allen Seiten war uns gesagt worden, wir möchten nicht zu sehr enttäuscht sein, wenn wir in den Testzonen auf große Ablehnung stießen und keine Bilder mitbekämen; es wäre nicht zu erwarten, daß man uns wertvolle Bilder für eine Ausstellung in der Ostzone anvertraute. Auf der Fahrt bis München wurden wir häufig angesprochen von beliebigen Leuten auf der Landstraße, die entweder mitfahren oder Auskünfte über Sachsen haben wollten. Die Wagen trugen ja die Aufschrift "Landesverwaltung Sachsen" in deutscher und russischer Sprache. In allen Gesprächen kam bereits hier bei der Einfahrt deutlich zum Ausdruck, daß man uns für halbe Russen hielt und Bayern im Gegensatz zu Sachsen als ein Musterland betrachtete. Von irgendeiner politischen Umstellung war bei allen diesen Menschen nichts zu spüren. Dieser Eindruck verstärkte sich in Bayern von Tag zu Tag, bis wir zum Schluß das Gefühl hatten, daß man das Ende der Naziherrschaft noch kaum zur Kenntnis genommen hatte. Gleichzeitig wurde des öfteren auf die amerikanische Besatzungsbehörde geschimpft, die alles wegäßen und doch ganz überflüssig seien. Wenn Unnra-Wagen vorbeikamen wurde erzählt, daß die Unnra die Waren, die sie verteilt, erst mal bei den Bauern und deutschen Versorgungs-Depots requirierte. Kurze Fahrtunterbrechungen in Regensburg und Straubing - dasselbe Bild. In München Besuch der Sekretärin Weinholz beim Kulturamt mit der Bitte um Unterstützung beim Erhalt von Lebensmittelkarten und Benzin. Höhnische Ablehnung. Sie dächten gar nicht daran, uns zu helfen, da sie mit den östlichen Zonen nichts zu tun haben wollten. Auf dem Wirtschaftsamt bekamen wir trotzdem Bezugsscheine für Benzin. In München stellte sich bei unserer eigentlichen Arbeit heraus, daß die meisten Künstler - und das gilt auch für die Fortsetzung der Reise, nicht mehr in den Großsträdten wohnen, sondern auf den Dörfern, am Starnberger See, am Chiemsee, in der französischen Zone am Bodensee, in der schwäbischen Alb, in Groß-Hessen im Taunus usw. Das erschwerte die Reise beträchtlich, ergab aber umfänglichere Einblicke in die augenblickliche Situtation im Süden und Westen Deutschlands. Die Münchner Künstler waren außerordentlich erstaunt über unseren Wagemut, eine Ausstellung aller Zonen in Dresden veranstalten zu wollen und vor allem darüber, daß wir bereits am 25. August diese Ausstellung eröffnen wollten. Es wäre doch zwecklos, Bilder zu sammeln, denn die Ausstellung würde bestimmt nicht zustande kommen, bzw. der Transport der Kunstwerke würde niemals über die Zonengrenze gehen. Die Lösung allein der Transportfrage hätte im Falle der Konstanzer Ausstellung sechs Monate in Anspruch genommen und auch die in Basel beabsichtigte Deutsche Kunstausstellung läge seit Monaten in Sammeltransporten bereit ohne abtransportiert werden zu können, da die Verhandlungen über den Transport noch immer andauerten. Als wir ihnen sagten, daß wir die Bilder einfach in unsere Wagen verpackten und von uns über die Zonengrenzen mit nach Dresden genommen würden, begegneten wir überall der größten Skepsis. Die ersten zwei Tage waren ungeheuer schwierig, wir ließen aber nicht locker und überzeugten die Künstler davon, daß wir erstens die Kunstwerke sicher nach Dresden bringen würden und daß wir zweitens - und diese Versicherung mußten wir in allen Fällen abgeben - die Werke wohlbehalten dem Eigentümer persönlich zurückbrächten. Die Ausstellungspapiere mit den Versicherungsbedingungen etc. hatten wir gut vorbereitet bei uns, sodaß wir nur die Titel der Werke und die Unterschriften einzusetzen brauchten. Allmählich wurden die Künstler zugänglicher und vertrauten uns ihre Werke an, nur der Maler Teutsch lehnte ab; außer ihm später in Stuttgart nur noch ein einziger nicht sehr wichtiger Maler mit Namen Fähnle. Schwieriger gestalteten sich im Verlauf der Reise die Verhandlungen um besonders kostbare Werke wie das Bild vom Max Beckmann, über das die Galerie Günter Franke verfügt, das Porträt der Käthe Kollwitz von Leo von König, das die Witwe in Tutzing am Starnberger See ungern herausgeben wollte, weil sie eine Gedächtnis-Ausstellung des vor zwei Jahren verstorbenen Malers vorbereitet. Wir begegneten in München außer den Malern noch einer ganzen Anzahl anderer Leute, Bekannten von früher, Schriftstellern, Zeitungsleuten, Wirtschaftler usw. : Prof. Schwangart von der Akademie der Wissenschaften in Bayern, der politisch immer SPD gewesen war, erzählte mir, daß er jetzt nur mit größten Schwierigkeiten eine untergeordnete Anstellung an einem wissenschaftlichen Institut erhalten habe mit 450,- RM Gehalt im Monat, daß die wesentlichen Posten Leute bekämen, die er kaum kenne und deren wissenschaftliche Leistung sehr unbeträchtlich sei. Irgendwelches Entgegenkommen von Seiten der Regierung habe er nie erfahren. In der "Neuen Zeitung" besuchte ich Erich Kästner, einen früheren Schüler von mir, Verfasser ausgezeichneter politischer Gedichte, Mitarbeiter der "Weltbühne" etc. Er ist Dresdner, seine Eltern wohnen noch hier, seine politische Haltung ist dadurch gekennzeichnet, daß er zwölf Jahre Schreibverbot hatte und sich infolgedessen in ein Dorf im bayrischen Hochgebirge zurückzog. Er blieb in München hängen, machte das Feuilleton der "Neuen Zeitung", gibt in Stuttgart den "Pinguin" heraus und ist wieder Mitarbeiter an der "Weltbühne" in Berlin. Er ist mit der politischen Situation in Bayern äußerst unzufrieden und trotz hoher Intelligenz über die Zustände in der russischen Zone schlecht orientiert. Er würde an sich lieber in Berlin und Dresden sein, fürchtet aber als Journalist, der er ist (ich glaube, er ist heute der beste lebende Journalist) für seinen Individualismus. Er wird aber demnächst nach Berlin kommen und wahrscheinlich auch nach Dresden, um aus eigener Anschauung ein Bild zu gewinnen. Ein Abend bei dem Industriellen Fuchs, der von 1940 - 1945 im K.Z. Dachau war (Beziehung zu ihm durch einen früheren Schüler, der leider abwesend war). Herr Fuchs war nach seiner Entlassung sofort wieder politisch tätig gewesen, ist aber von den reaktionären Verhältnissen so angewiedert, daß er sich völlig zurückgezogen hat, da er alle Bemühungen für assichtslos hält. Bayern sei zu 80 % CDU, die CDU wiederum bestünde zu einer Hälfte aus Monarchisten (Bayrische Volkspartei), zur anderen Hälfte aus Nazis, u. zw. den Nazis, die das Wahlrecht hätten, da sie 1937 in die Partei eingetreten seien. In der gesamten Verwaltung befände sich nicht ein einziger Mann, der von den Nazis politisch verfolgt gewesen wäre, sondern nur Leute, die mit den Nazis packtiert hätten und meist bis zur Kapitulation in ihren Ämtern gewesen wären. Der Ministerpräsident war zwar emigriert, hätte sich aber zwölf Jahre in der Schweiz als Anwalt außerordentlich wohl befunden. Unter den leitenden Staats-Sekretären, die auch mit der Denazifizierung zu tun hätten, befände sich einer, der von März 1933 PG sei. Der Klerus spielte dieselbe Rolle wir in der Monarchie, der amerikanische General Miller habe sich nach seiner Einsetzung sofort zu Kardinal Faulhaber begeben und von ihm alle die Leute vorgestellt bekommen, die die katholische Kirche für geeignet hielte, der Kurs wäre eindeutig Nazi und die Bevölkerung sei so unbelehrbar, daß, wenn eine SA-Kapelle aufmarschierte, die Münchner wahrscheinlich zu Tausenden hinterher marschierten. Einige schwer zu umgehende Persönlichkeiten hätte man in Stellung wie dem Roten Kreuz untergebracht, wo sie fest und lahmgelegt wären. Als kleine Groteske sei noch hinzugefügt, daß ein amerikanischer Hauptmann, der katholisch ist, in Rottach das Familienband schließen und erst wieder öffnen ließ, nachdem die Abteilung für Männer und Frauen säuberlich getrennt war. Bei den Malern in München und am Bodensee begegnete man einer völligen politischen Desinteressiertheit; sie leben genau wie früher, etwas ärmer natürlich, aber immerhin so, daß sehr viele von ihnen einen Arbeitsraum in der Stadt und eine Wohnung für sich und die Familie auf dem Lande haben. Das gilt auch für die Schriftstelller. Die Versorgung mit zusätzlichen Lebensmitteln ist in Bayern natürlich leichter als in Sachsen, sodaß die meisten nicht schlecht leben. Besuch bei Frau Leo von König in Tutzing am Starnberger See: Sie hatte besonders große Bedenken, das Porträt von Käthe Kollwitz mitzugeben, tat es dann aber doch nach einem langen, intensiven Gespräch, in dem sie sich sehr genau nach den Verhältnissen im Osten erkundigte. Sie erzählte mir, daß in Bayern behauptet würde, die Engländer und Amerikaner würden eines Tages abziehen und die Russen auch diese Besatzungszonen mit übernehmen. In Württemberg und Hessen berichteten diejenigen prominenteren Vertreter von Kunst und Wissenschaft, die mit amerikanischen Vertretern der Besatzungsbehörden in engere Fühlung gekommen waren, daß die amerikanischen Offiziere mit ganz unverhohlener Abneigung von den Russen sprächen und keineswegs so, als wenn das ihre Verbündeten wären, sondern ihre ärgsten Gegner. Die Öffnung der Zonengrenzen, meinten diese Leute, würde von keiner Seite gewünscht und alle Teile würden hochbefriedigt sein, wenn sie nicht käme, dann könnte wenigstens jeder machen was er wolle und es ergäbe sich dann eine wünschenswerte Teilung in ein westliches Europa und ein östliches. Über Augsburg und Ulm nach Stuttgart. Dort alle Bilder in einem Wagen gelassen, falls an der französischen Zone Schwierigkeiten entstehen sollten. Dieser Wagen direkt nach Karlsruhe dirigiert, mit dem leeren Wagen in die Französische Zone eingefahren. In Tübingen durch Schutzleute aufmerksam gemacht, daß Wagen ohne einen Ausweis vom französischen Landrat und der Verkehrsbehörde mit Beschlagnahme bestraft würden. Bei den Amtsstellen großes Staunen, da wir die ersten waren, die mit Wagen aus der russischen Zone in die französische Zone einführen. In Schwaben alles anders, nicht klerikal, nicht reaktionär wie Bayern, sehr viel größere Aufgeschlossenheit und Intelligenz. Wenig Berührung mit den Besatzungsbehörden, nicht allzuviel Militär sichtbar außer in Baden-Baden, wo zur Zeit 500.000 Franzosen leben mit zahllosen französischen Geschäften und Buchhandlungen mit verlockenden Auslagen. Lebensmittelrationen knapper als anderswo. Auf dem Land nicht leicht, etwas zu kaufen, da weitgehende Beschlagnahme, durch die Franzosen. Auch die ausgedehnten Obstplantagen am Bodensee dürfen nicht frei verkaufen, auch nicht an Anwohner. In Tübingen große Ausstellung Dix und Heckel. Die Stadt macht ungefähr denselben Eindruck wie früher, an der Universität hat sich nicht viel verändert. Auch in Heidelberg (amerikanisch) ist es so, daß man - wie überall im Westen - auf die alten Lehrkräfte zurückgegriffen hat, mit besonderer Vorliebe auf die 1933 abgebauten. Infolgedessen sind die Hochschulen stark überaltert. Bei den Franzosen Hauptinteresse Kulturpropaganda. Man ermöglicht sogar führenden Persönlichkeiten des künstlerischen Lebens die Einreise nach Frankreich (Paris), damit sie sich über die gegenwärtigen Kunstverhältnisse orientieren können. Dr. Martin von der Kunsthalle in Karlsruhe, der gleichzeitig in Freiburg als Konservator fungiert, war geradevon einer Studienreise in die Schweiz zurückgekehrt und im Begriff, nach Paris zu fahren. Der Leiter der französischen Kulturabteilung, Capitaine Jardot, bemüht sich eifrig um Kulturaustausch. Auch die Konstanzer Kulturwochen standen unter diesem Gesichtspunkt. Im Großen und Ganzen ist die Bevölkerung mit der französischen Besatzung nicht unzufrieden, klagt aber darüber, daß die Franzosen alles aus dem besetzten Land selbst nehmen und für die Einwohner wenig übrig bleibt. Industrie und Wirtschaft liegen beinahe noch brach. Man nimmt sich sehr viel Zeit zur Ingangsetzung der Betriebe und zum Wiederaufbau. Die meisten aus dem Osten nach dem Westen Verschlagenen leben in dürftigen Verhältnissen, da sie nicht - wie die Einheimischen - von ihren Bank- und Sparkassen-Einlagen leben können. Gute Ärzte erhalten z.B. nur in den seltensten Fällen die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Praxis, da man den eingesessenen Ärzten keine Konkurrenz machen will. Gute Museumsleute wie Dr. Erich Wiese haben sich vergeblich bemüht, eine Anstellung zu finden und leben von Gelegenheitsarbeiten. Man hat den Eindruck, daß die Hälfte der Bevölkerung in der französischen und amerikanischen Zone ein Ferienleben führt und sich nur in sofern Sorgen macht, als die noch vorhandenen Kapitalien auch einmal aufgebraucht sein werden. Am Bodensee in Hemmenhofen bei Otto Dix und Erich Heckel. - (Dix war vor ein paar Monaten aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden) - und hatte in einer völlig neuen Manier zu malen wieder angefangen. Er war an allem, was wir von hier erzählen, sehr stark interessiert, umsomehr, als er am Bodensee keine Anregung hat, da die dort lebenden Maler sich ausgesprochen haben und keine neuen Gesichtspunkte auftauchen. Er ginge gern weg, fürchtet aber, sein schönes Haus, das er sich vor 15 Jahren bauen ließ, zu verlieren. Auch Dix ist, obwohl er viele Freunde in der russischen Zone hat, völlig unorientiert über das Leben hier. Vor allem hört man immer wieder Folgendes: 1.) Die Russen verhaften alle jungen Leute, die nach der Ostzone zurückkehren. 2.) die Russen verhaften ohne Angabe von Gründen willkürlich beliebige Persönlichkeiten, nicht nur ehemalige PG's. 3.) Die Russen lassen nur die kommunistische Weltanschauung gelten und dulden nur vorläufig andere Parteien. 4.) In der russischen Zone gibt es keinerlei persönliche Freiheit und Meinungsäußerung; auf diesem Gebiet herrsche eine Reglementierung wie unter den Nazis. 5.) Die Russen bauen alle Betriebe aus und in kurzer Zeit würde das deutsche Volk zugrunde gehen, weil es keine Arbeitsmöglichkeiten mehr habe. 6.) Die Hussen sind unberechenbar und man könnte nicht wissen, ob sie nicht z.B. die ganze Kunstausstellung beschlagnahmten. Wir sind auf alle diese Fragen ausführlich eingegangen und haben eingehend berichtet über den Wiederaufbau des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens und über die Auswirkungen der von den ersten Wochen an ergriffenen Maßnahmen von Seiten der Landesverwaltung und der SMA. Es stellte sich dabei heraus, daß solche Augenzeugenberichte wie wir sie gaben, zwar auf Verwunderung stießen, daß man uns aber Glauben schenkte und daß sehr viele dafür dankbar waren, endlich einmal direkte Schilderungen des Lebens in der östlichen Zone zu erhalten. Weitere Stationen: Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Wiesbaden, Taunus, Frankfurt. Ab Karlsruhe wieder amerikanische Zone, bessere Zustände als in Bayern, aber wenig Wiederaufbau. Heidelberg sehr amerikanisch, wenn auch nicht so wie Wiesbaden, wo sich etwa 50.000 Amerikaner aufhalten. Im Landesmuseum das Collecting Point, die Sammelstelle aller ausgelagerten Museumsgüter, auch aus den Berliner Staatlichen Museen. Es stellte sich heraus, daß ein Berliner Museumsbeamter die den Berliner Museen gehörenden Kunstwerke zusammengestellt für einen evtl. Transport nach Berlin. Näheres war ihm noch unbekannt. Die amerikanischen Hotels und Behörden waren mit Stacheldraht abgesperrt, besonders in Wiesbaden, wo Regierungszentrum. Eindruck, daß zwischen Deutschen und Amerikanern keine Beziehungen, abgesehen von den üblichen Liebesbeziehungen und dem Schwarzhandel mit Heeresgut. In Groß-Hessen wenig stabile Verhältnisse, da SPD zusammen mit KPD 51% der Stimmen. Bei Abstimmung oft Zufälle: linker Flügel der CDU stimmt meist mit SPD. Bei den verschiedenen Künstlern im Taunus ähnliches Leben wie am Bodensee und Starberger See, man ignoriert, was einem nicht gefällt und beschäftigt sich mit politischen und wirtschaftlichen Fragen so gut wie gar nicht. Diese spielen übrigens auch bei den Wissenschaftlern eine äußerst untergeordnete Rolle. Man betont, daß man unpolitisch ist. Die Museumsleute beschäftigen sich mit der Heranbringung ihrer ausgelagerten Objekte. Soweit Akademien eröffnet sind, sind sie es nur dem Namen nach; in Stuttgart z.B. erfolgte die Eröffnung am 15. August, ohne daß die baulichen Zustände des Gebäudes eine Arbeit ermöglichten. Die Jugend hält sich von politischen Auseinandersetzungen fern, soweit sie nicht gelegentlich gegen Dinge, die sie nicht versteht, randaliert, z.B. bei Kunstaustellungen. Bei diesen Gelegenheiten gleiches Verhalten wie in der Nazizeit. Bei Günter Franke in München wohnte ich einer Diskussion von Studenten über moderne Kunst anlässlich der Beckmann-Ausstellung bei. Diese bewegte sich ausschließlich auf der Ebene ästhetischer Fragen. Auf der ganzen Fahrt wurden die beiden Wagen, wenn wir irgendwo Halt machten, um ein Atelier zu besuchen, von Menschen umringt, unter denen sich auch immer solche befanden, die aus der östlichen Zone stammen. Sie erkundigten sich eingehend nach den Verhältnissen hier und die meisten äußerten, daß sie gern zurückkehren würden, wenn sie nur genau wüßten, wie hier die Dinge wären. Viele wollten mitfahren, andere Briefe und Päkchen an ihre Anverwandten mitgeben. Die Fahrer gewöhnten sich allmählich daran, Auskünfte aller Art zu erteilen, und alles in allem kann man wohl sagen, daß die beiden Steyr mit ihrer Mannschaft vom ersten bis zum letzten Tag eine ausgezeichnete Propaganda für die östlichen Zonen waren. Es war erstaunlich, wie viele Menschen aus dem Osten nach dem Westen verschlagen sind, ohne dort Wurzel gefasst zu haben, und wie viele gern wieder zurückkehren möchten. Die Sorgen um Angehörige war bei den meisten ziemlich groß, aber sie waren alle sichtlich beruhigt, wenn wir ihnen erklärten, daß diese Besorgnisse völlig unbegründet seien. Irgendwelche unangenehmen Auftritte hat es nirgends gegeben, wirklich unhöflich war man nur im Münchner Kulturamt. Bei der Überschreitung der Zonengrenzen hatten wir mehr Glück als Verstand. Daß man eine ganze Ausstellung von Kunstwerken in zwei Steyr-Wagen einfach mit über die Grenze nahm, war für die Posten so überraschend, daß sie nur schwachen Einspruch wagten, vor allem dann, wenn man ihnen im interzonenpass die Worte "procuring works" zeigte. Am 20. August abends trafen wir wieder in Dresden ein und machten uns an die Jury und die Hängung der mitgebrachten Bilder. Professor Dr. Grohmann Dresden A 20, Beicker Str. 33, am 7. Februar 1947 II. Bericht Interzonenreise 5.-23.12.1946 1 Steyr, Dr. Grohmann und 2 Fahrer. Wir traten die Reise in der Hoffnung an, daß diesmal alles glatt gehen würde. Leider erfolgte am 10. Dezember der große Kälteeinbruch, der die Fahrt besonders vom Bodensee an durch den Schwarzwald und dann bis nach Dresden außerordentlich erschwerte. Außerdem stellte sich heraus, daß das Zurückbringen der Bilder deswegen auf unerwartete Schwierigkeiten stieß, weil inzwischen die Zollwachen an den einzelnen Grenzen Deklarationen über Inhalt und Wert der "Waren" verlangten. Bilder seien als Güter zu behandeln und wir müßten im Besitz von Papieren sein, in denen jedes einzelne Bild mit Angabe des Preises angeführt würde, u.zw. genau getrennt nach dem Vorrat, die in die amerikanische bzw. französische Zone eingeführt, dagelassen bzw. wieder ausgeführt würden. Infolgedessen wurde der Wagen mit Inhalt dreimal beschlagnahmt, aber durch intensives Zureden gelang es nach stundenlangen Verhandlungen jedes mal doch wieder, den Wagen freizubekommen. Die Besitzer der Bilder waren hocherfreut, daß wir Wort gehalten hatten und tatsächlich wie versprochen die Bilder selbst zurückbrachten. Die Kunstwerke von der Konstanzer Ausstellung waren, obwohl diese bereits im März 1946 stattgefunden hatte, noch immer nicht zurückgegeben, wahrscheinlich infolge der Zonengrenzenschwierigkeiten. Den Betrag für die verkauften Bilder hatte ich leider nicht mit, da von Seiten der Ausstellungsleitung Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Art der Überbringung geäußert worden waren. Bis jetzt sind nach den eingehenden Briefen die Maler noch nicht im Besitz ihres Geldes. Der Eindruck, den wir auf unserer Sommerexpedition von Bayern gewonnen hatten, blieb unverändert. Die Einstellung zu den aus dem Osten einreisenden Deutschen war wie damals skeptisch und wir hatten unsererseits den Eindruck, daß in Bayern die nazistische Einstellung eher stärker als schwächer geworden war. Unterhaltungen mit Freunden bestätigten diesen Eindruck. Obwohl der Druchschnittsbayer außerordentlich reaktionär ist, ist er trotzdem mit seiner Regierung nicht zufrieden. Es war aber nicht festzustellen, ob er sie zu sehr rechts oder zu sehr links empfindet. Im Grunde genommen schimpft er auf alles, vor allem aber auf die Besatzungsmacht und er hält die bloße Tatsache der Besatzung als eine ungerechtfertigte Kränkung. Die Künstler und Intellektuellen halten sich ziemlich abseits von allem, was Politik im weiteren Sinne ist und leben rein "privat". Es ist auch verhältnismäßig leicht möglich, da die meisten auf ihre Sparkonten zurückgreifen müssen und immer noch von ihren Renten leben. Der Individualismus ist stärker denn je. Wie die Behörden eingestellt sind, dafür ein kleines Beispiel: Während ich im Geschäftszimmer des Künstlerverbandes München meine Papiere erledigte, kam ein älterer Maler, um sich Bescheinigung für Kohlen und Malmaterial geben zu lassen. Er wurde gefragt, ob er PG gewesen sei. Antwort: "Natürlich". "Alter PG?". "Natürlich". "Haben Sie Ihre Denazifizierung bereits eingereicht ?" "Nein, noch nicht, aber ich kann doch ncht ohne Kohlen und Material leben. Ich habe eine zeitlang Anstreicherarbeiten gemacht, aber das kann ich nicht mehr fortsetzen." "Ja, wollen Sie sich nicht um die Denazifizierung bemühen oder einer Partei beitreten ?" "Ich bin bisher Niemandem nachgelaufen; ich laufe auch der Demokratie nicht nach." Nach einigem Hin und Her bekam er seine Bescheinigungen. In München war eine schöne Franz Marc-Ausstellung, die sehr besucht war. Ich war sehr froh sie zu sehen und meine Eindrücke mit denen von früher zu vergleichen. Überraschenderweise empfand ich die großen Gemälde von Franz Marc als überlebt und teilweise etwas leer, während die kleinen Zeichnungen und Aquarelle in ihrer Wirkung gleichstark geblieben waren. Man hatte Fragebogen in der Ausstellung ausgelegt für die Besucher und ich möchte einen solchen beifügen, da er mir einen sehr intelligenten Eindruck macht. Es gab auch Führungen in der Ausstellung; aus Stuttgart war gerade die Kunstakademie da, die natürlich positiv zu Franz Marc stand, während die Jugend sonst ziemlich verständnislose Fragen an den Ausstellungsleiter und die Vortragenden richtete (ähnlich wie bei der Beckmann-Ausstellung im Sommer). Im ehemaligen "Haus der Kunst" waren die Bilder der älteren Pinakothek ausgestellt; sie sollen zunächst dort bleiben. Obwohl diese Ausstellung eine gewaltige Anziehungskraft ausüben müßte, waren die Ausstellungssäle fast leer und ich war in manchen Räumen mit den kostbaren Werken der alten Niederländer und Deutschen allein. Einen Katalog gab es nicht. In der Gewerbeschau (in demselben Haus) eine Auswahl bayrischer Qualitätsware, vorwiegend Luxuswaren und Dinge, die wahrscheinlich nur für die Aussellung hergestellt sind. Übernachtungsmöglichkeiten ganz schwierig, noch schwieriger als im Sommer, ein Bunkerhotel wieder eingerichtet. Alles ungeheizt. Bei den Amerikanern in der Schellingstraße, "Neue Zeitung", "Heute" etc. größtes Interesse und Entgegenkommen, Aufforderungen zu schreiben, auch über das Kunst- und Kulturleben in der östlichen Zone; besonders interessiert Erich Kästner von den Amerikanern Berggrün. Weiterreise über Augsburg nach Ulm, wo im Museum die Bilder von Geigenberger München abgegeben werden und dann die erste große Schwierigkeit bei der Einreise in die französische Zone entsteht. Allerdings nicht zu vergleichen mit den ungeheuren Schwierigkeiten bei der Anreise. Erste Übernachtung in Randegg bei Dr. Koch, einem mir bekannten Kunstsammler (er hat vor allem ca. 20 Bilder von Ernst-Ludwig Kirchner und ist der Schwager von Otto Dix). Von dort aus alles am Bodensee erledigt. U.a. mit Dix eine längere Unterredung, um ihn dafür zu gewinnen, nach Dresden zurückzukommen und hier seine Tätigkeit wieder aufzunehmen (Meisteratelier). Es gelang, Dix davon zu überzeugen, daß er am Bodensee fehl am Platze ist und Dix erklärte sich bereit, sofort nach Dresden zu übersiedeln unter der Voraussetzung, daß er im Sommer längere Ferien in seinem Haus in Hemmenhofen verbringen könnte. Seine Frau und Tochter würden dann vorläufig in dem Haus bleiben. Um die Angelegenheit zu beschleunigen, bin ich sofort zu Capitaine Maurice Jardot, Freiburg/B., Gouvernement Militaire de Bade, gegangen. Er war sehr liebenswürdig und entgegenkommend und erklärte, daß er den Weggang Dix' zwar bedaure, aber behilflich sein wolle, Dix an seine eigentliche Wirkungsstätte zurückzubringen. Inzwischen habe ich Dix schriftlich gebeten, persönlich einmal Jardot zu besuchen, um von ihm möglichst direkt die Einreise nach dem französischen Sektor Berlins zu erhalten. Jardot zeigt ein wirkliches und positives Interesse für alle Angelegenheiten in der östlichen Zone. Er bat darum, ihm gelegentlich Material von uns zu schicken; er würde uns seinerseits gern entsprechendes Material zur Verfügung stellen. Er wäre wenig orientiert, hätte aber das größte Interesse daran, mehr zu erfahren. Betont russlandfreundlich. Sonst aber wenig Erfreuliches in der französischen Zone über die Besatzungsmacht gehört, große Verbitterung in der Bevölkerung über die rigorosen Maßnahmen, besonders in Verwaltung und Ernährungsfragen. Einsatz von Maquis-Leuten. Dr. Koch ist Elsässer und gilt als Compatriot und wird infolgedessen gut behandelt, fühlt sich aber doch als Deutscher und leidet sehr darunter, daß sich die Stellung der Bevölkerung zu den Franzosen im letzten Jahr laufend verschlechtert hat. Beispiel: Die Bevölkerung von Randegg bzw. die dortigen Bauern bringen ihre Kartoffeln in die Keller des alten Schlosses, das er bewohnt, um sie davor zu schützen, daß sie bei angesagten Kontrollen, die dann nicht stattfinden, erfrieren. Große Unterschiede zwischen der Kulturverwaltung und der sonstigen Verwaltung in der französischen Zone, scheinbar aus propagandistischen Gründen. An Theatern, Musik, Ausstellungen wird viel geboten. Das französische Militär macht heute einen ziemlich preußischen Eindruck, das zeigte sich vor allem bei der zweifachen Überschreitung der französischen Zonengrenze zurück ( wir kamen ohne es zu wissen vor dem endgültigen Übertritt durch einen kleinen Zipfel, der nicht zur französischen Zone gehört). Es hing an einem Haar, daß wir den Wagen mit Inhalt tatsächlich eingebüßt hätten. Der französische Wachtmann reagierte erst, als ich ihm sagte, wir kämen doch schließlich aus der russischen Zone und hätten angenommen, gerade bei den Franzosen Verständnis für unsere kulturelle Arbeit zu finden. Das Nichtvorhandensein der Papiere sei keine absichtliche Nachlässigkeit, sondern bloßes Nichtwissen gewesen usw. Verpflegung in der französischen Zone war sehr schlecht, auch für uns. Für Kartoffelmarken bekamen wir keine Kartoffeln in den Gasthäusern, man mußte sie selbst mitbringen. Die Fahrt wurde immer schwieriger: Glatteis, Berge, Kurven usw. Dazu alle vier Decken aus dem verschlossenen Wagen in einem verschlossenen Hof gestohlen, sodaß wir bis Dresden bei 20° Kälte ohne jede Decke fahren mußten. In Stuttgart wesentlich erfreulicheres Bild. Im Gegensatz zu Bayern ist hier, wie überhaupt in ganz Schwaben, politisch alles viel einwandfreier; die Menschen sind für die aktuellen Fragen aufgeschlossen und machen in allen Bevölkerungsschichten eine ausgesprochen klugen und unnervösen Eindruck, keine Spur von Psychose. Eifrige Arbeit auf allen Gebieten, besonders auch auf dem Gebiet des Verlagswesens und der Zeitschriften: Rowohlt-Verlag in Stuttgart mit "Pinguin", Ro-Ro-Ro-Büchern, Romanen in Rotationsdruck für 50 Pfennig; Hatje-Verlag (früher Kohlhammer) mit guter kultur-politischer Literatur und Kunst. Gute Zusammenarbeit von Verwaltung, Künstlern, Verlegern, Theater usw. Große Heizschwierigkeiten , aber Verpflegung ungefähr wie hier, allerdings leichtere Möglichkeit, zusätzlich etwas zu erwerben. Allmählich scheinen von allen Seiten prominentere Kräfte wegen der großen Verlage und der sich entwickelnden Theater und Hochschulen (Akademie und T.H.) nach Stuttgart zu übersiedeln (Hermine Körner, Paul Hoffmann, die früheren Hauptmitarbeiter des Rowohlt-Verlages, Baumeister usw.). Weiter nach Heidelberg, Mannheim (Besuch bei Passarge) über Darmstadt nach Frankfurt a.M. (Städel), Wiesbaden und Taunus (Hofheim, E.W.Nay, Frau Becker) Der Wagen wurde in Hofheim leer und wir konnten an den Rückweg denken. Es ging alles glatt bis zur Zonengrenze, wo wir allerdings von den bayrischen Zollbeamten, nicht den amerikanischen Wachtposten, abscheulich behandelt wurden. Jede Tasche wurde umgedreht, jedes Säckchen aufgemacht und bei jeder Sache gesagt, sie könnte im Schwarzhandel erworben sein, was bedeutete, daß wir verhaftet würden. Die Amerikaner waren an den Kleinigkeiten, die die Fahrer und ich bei uns hatten, in keiner Weise interessiert und erklärten jedes mal "o.k., take it". Es wurde ganz wenig zurückbehalten, eigentlich nur Sachen aus einem Liebesgabenpaket, das einer der Fahrer einer Verwandten in Dresden mitnehmen wollte. Wie wir jedoch in Dresden ankamen, fehlte außerordentlich viel. Wir können uns das nur so erklären, daß, während wir in dem Zollhaus beschäftigt waren, sich unfreundliche bayrische Zöllner genommen hatten, was ihnen gefiel. Wir waren alle drei von diesen Verlusten betroffen. Fünfzig Meter weiter russischer Schlagbaum, freundschaftliche Begrüssung, Erledigung der Formalitäten und Weiterfahrt bis Dresden.

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