Von Hochmut und Hoffahrt (aus: Sebastian Brants "Narrenschiff", Kapitel 92)]

Zum überragenden Erfolg von Sebastian Brants Moralsatire »Das Narrenschiff« trugen die 114 Holzschnitte am Anfang jedes Kapitels bei. Als Hauptmeister, der die 78 qualitätsvollsten Bilder vorgezeichnet hat, wird der junge Albrecht Dürer angenommen, der während seiner Wanderjahre vielleicht von 1492 bis 1494 in Basel tätig war. Andere beteiligten Künstlern konnten nur mit Notnamen nach Texten auf den Holzschnitten benannt werden: der »Haintz-Narr-Meister« und der »Gnad-her-Meister«. Die Entwerfer weiterer Holzschnitte blieben unbekannt. »Wer hoffärtig ist ,und tut sich loben / Und sitzen will allein hoch oben, / den setzt der Teufel auf seinen Kloben.« Die Überschrift beschreibt das Bild: der hinter Bäumen versteckte Teufel hält einen Stock mit gespaltenem Ende, einen »Kloben«, in dem Lockvögel befestigt wurden. Darauf sitzt eine Bürgersfrau in großer Haube und feinem, leicht dekolletiertem Kleid, und bewundert sich im Spiegel. Sie bemerkt nicht, dass vor ihr unter einem Rost ein Feuer brennt, Anzeichen der drohenden Hölle: »Die Hoffart, die Gott hasst so sehr, / Steigt stetig auf, je mehr und mehr, / Und fällt zuletzt zu Boden doch / Zu Luzifer ins Höllenloch.« Soweit entspricht das Bild der sprichwörtlichen Wendung aus dem Alten Testament: »Hochmut kommt vor dem Fall« (Sprüche 16,18). »Superbia«, Hochmut, Überheblichkeit ist die erste im Kanon der sieben Todsünden. Der Spiegel, ihr übliches Attribut, bedeutet dabei Eitelkeit und Selbstverliebtheit. Zugleich fungiert die Frau hier selbst als Lockvogel. Dies ist eines von nur zwei Bildern im »Narrenschiff«, in denen keine Narrenfigur oder zumindest eine Narrenkappe erscheint. Potentielle Narren sind also die Betrachter: wer auf das verlockende Angebot zu Unkeuschheit eingeht, »macht sich zum Narren«. »Wie eine Närrin liebt zu putzen / Und spiegeln sich der Welt zu Nutzen, / Wenn sie spannt auf des Teufels Garn / Und läßt viel Seelen zur Hölle fahrn.«