Worum es geht

Beschreibung

Transkription: Stuttgart-Cannstatt, Königstr 17 a Lieber Herr Gropius, Ihr schöner Brief hat mich nochmals recht aufgewühlt. Ich habe gerade jezt besonders damit zu tun, das Leben zu meistern, das sich mir durch meine Verheiratung vor einigen Wochen neu complicierte, und ich sehr darauf bedacht sein musste, mich an einen Plan zu halten. ! Zunächst bin ich noch diesen Winter halb wider Willen genötigt hier zu bleiben durch die Ballettsache, die, da ich mit starren Costümen u Maksen arbeite, fast unüberwindliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Da auch die Musik u der Tanz selbst mir aufgegeben ist zu lösen und in Einklang zu bringen, ist meine fortwährende Anwesenheit zur Notwendigkeit geworden. Das Tänzerpaar steckte schon ein Vermögen in die Sache, das dann durch Gastspiele in Deutschland und vor allem im Ausland wieder eingebracht werden soll. Sehr wahrscheinlich ist meine Anwesenheit zumindest bei den ersten Gastspielen auch notwendig. Ich muß nun einmal das Begonnene zu ende führen. Nun geht mein Bestreben sehr darauf hin, mich sobald als möglich von dieser Angelegenheit zu lösen, denn ich möchte nicht als Ballettregisseur mein Dasein beschliessen. Aber auch dann liegt mein Weg beschlossen. Ich suche die Einsamkeit um in Ruhe u. Beschaulichkeit zu reifen und glaube wirklich was mir Wichert in Mannheim sagte, daß die Einzelnen ihren Weg gehen müßten, daraus sich dann die große Gemeinsamkeit ergäbe. Ich habe es am eigenen Leib erfahren: das zunehmende Bekanntwerden in Stuttgart hat mich um die Ruhe der Arbeit gebracht. Ich weiß, es ist paradox, sich von den Freunden zurückziehen zu müssen um einem Höheren zu dienen. Es ist nicht jeder ein Itten oder Hölzel, die lehren müssen, wenn sie sich entfalten wollen. Nun fühle ich mich so sehr halbwegs, gerade jezt in einem wesentlichen Stadium der Entwicklung, daß ich nur das mir Gemäße tun darf um glücklich fortzuschreiten. Es schmerzt mich, bester Herr Gropius, Ihnen so schreiben zu müssen. Jedenfalls vermag ich mich nicht so rasch wie es nötig wäre, zu entschließen. Ich bin so hoffnungsvoll zu glauben daß ich in einigen Jahren der Sache besser zu dienen im stande bin als heute und daß es noch nicht zu spät dann wäre. Die herzlichsten Grüße Ihres Oskar Schlemmer

Text

Haben Sie Fragen oder Informationen zu diesem Objekt?

Kontaktieren Sie uns