Die Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart präsentiert zu diesem Anlaß eine Auswahl aus ihrer 1989 gegründeten Abteilung PHOTO-KUNST. Die ca. 200 hochrangigen Exponate aus eigenen Beständen, darunter eine ganze Reihe von Inkunabeln und Unikaten der Photographie, geben Einblicke in die Geschichte der Photographie. Dabei erwartet den Besucher keine chronologische Schau, sondern ein visuelles Labor.
Die Ausstellung »Licht und Schatten« macht schon im Titel darauf aufmerksam, daß es um zentrale Fragen der Photographie geht. Und zwar um Fragen, die sich leitmotivisch durch die gesamte Entwicklung der Photographie hindurchziehen und zu verschiedenen Zeiten immer wieder von Künstlern aufgegriffen wurden. Um diese Kernprobleme der Photographie vor Augen zu stellen, werden die Arbeiten in Werkgruppen gezeigt. Spannende Bezüge lassen sich so über die Jahrzehnte hinweg verfolgen, vergleichbare künstlerische Strategien oder thematische Anliegen entdecken.
In der Ausstellung finden sich von den Gebrüdern Bisson eine der frühesten Alpenaufnahmen (ca. 1860), daneben außergewöhnliche Arbeiten von den ersten Pionieren der Reisephotographie, die mit aktuellen Aufnahmen von Thomas Struth (1986) oder Ralph Baiker (2002) kontrastiert werden.
Die im Rückblick gerade dank ihrer Unschärfe und Verwischungen als »beseelt« wahrgenommenen Porträts der Schotten Hill & Adamson (Mitte 19. Jh.) können mit den weichzeichnerischen Effekten in den Aufnahmen Heinrich Kühns verglichen werden.
Porträts der stilbildenden Photographin Julia Margaret Cameron (1865) sind ebenso zu sehen wie eine der berühmten Kinderaufnahmen von Lewis Caroll, dem Autor von »Alice's adventures in wonderland« (1876).
Gleichzeitig sind aber auch Selbstporträts von Cindy Sherman vertreten, darunter eine Reihe sehr seltener Arbeiten aus ihrer Studienzeit (1975). Auch von vielen anderen zeitgenössischen Künstler lassen sich zum Teil weitgehend unbekannte Werke entdecken, so eine abstrakte Photographie von Sigmar Polke (1964) oder frühe Aktphotographien von Klaus Rinke (1960).
Ebenfalls sind viele photographische Experimente zu studieren: erste Cyanotypien aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, Photogramme der Bauhaus-Künstler wie auch digitale Photographien aus den letzten Jahren. Den Besucher der Ausstellung erwartet so ein dichtes Netz an sinnenfälligen Bezügen aus 150 Jahren Photographie.
Die Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart eröffnet mit dieser Ausstellung den Neubau der Schweizer Architekten Wilfrid & Katharina Steib.
Die Schau wird parallel zum Ausstellungszyklus »Graphikreihen der Weltkunst« gezeigt, der ebenfalls im Neubau, im Graphik-Kabinett, abläuft. Diese Parallele ist programmatisch gemeint: Die Graphische Sammlung widmet der PHOTO-KUNST, einer der zur Zeit wohl aktuellsten Gattungen in der Kunstszene, die gleiche Aufmerksamkeit wie den klassischen Sammlungsgebieten des Hauses. Zur Ausstellung ist ein Katalog, 112 Seiten, ca. 80 Abbildungen, erschienen.