Worum es geht
Albrecht Dürer gibt seine seit 1502 entstehende Holzschnittfolge »Das Marienleben« im Jahr 1511 in Form einer neuartigen Verbindung aus Andachts- und Kunstbuch heraus. Darin werden die Bilder durch lateinische Texte des Benediktinermönchs Benedictus Chelidonius ergänzt. Dürer verzichtet beim sechsten Holzschnitt der Folge, »Mariens Tempelgang«, auf Einzelheiten der apokryphen Erzählung und gestaltet die Szene neu. Maria wirkt älter als drei Jahre und hat die erstaunte Menge um ihre Mutter Anna verlassen. Mit wehendem Haar stürmt sie entschlossen die neun (statt der üblichen fünfzehn) Stufen des Tempels hinauf. Dort erwarten sie der Hohepriester und die Schriftgelehrten. Ihr Gesicht bleibt im Schatten, und auch ihre Gestalt ist von einer Säule angeschnitten. Das Interesse Dürers liegt auf der Architektur. Den Tempelhof stellt er als komplexes, quadratisches Raumgefüge dar, ganz im Sinne der italienischen Frührenaissance; wahrscheinlich angeregt von einer italienischen Musterzeichnung. Auch die Händler auf der Treppe könnten auf Bezüge zu Venedig hinweisen. Die Architektur betont die antike Welt, in der Maria zu ihrer Zeit lebte.
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