07.03. – 05.07.2009

Wiener Aktionismus

Die Präsentation »Offenes Depot: Wiener Aktionismus« der Staatsgalerie Stuttgart bietet Einblicke in die Produktion wie in die Rezeption der inhomogenen Gruppe der Wiener Aktionisten um Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler und mit ihnen verbundenen Künstlern wie Kurt Kren oder Valie Export. Neben Malerei, Collagen, Filmen, Fotografien, Grafiken und Aktionsrequisiten werden Skizzen- und Künstlerbücher ebenso wie Korrespondenzen präsentiert.

Sie zeigen, dass die Aktionen nicht mit ihrem authentischen Erleben beginnen und enden, sondern dass ein Wechselverhältnis zwischen Ereignis, Medialisierung und Rezeption besteht. Außerdem werden die jeweils unterschiedlichen Werkansätze, Bildsprachen und Umgangsweisen der Wiener Aktionisten mit Materialien und Körpern im Raum – in »Beschmutzung«, »Entleibung«, »Verstümmelung« oder »Zerreißprobe« – erkennbar. Während in Brus’ asketisch-monologhaften Aktionen ein verletzender Eros deutlich wird, bei Nitsch dionysische Lebenslust überwiegt und Muehls Werk energetische Selbstbefreiungsaktionen kennzeichnen, erscheint Schwarzkogler als der melancholische Exponent des Wiener Aktionismus.

Den Wiener Aktionismus als performative Kunst kennen wenige Menschen aus eigener Anschauung. Insbesondere Film und Fotografie kommt daher eine Schlüsselrolle bei ihrer Vermittlung zu. Die Wiener Aktionisten waren sich der Notwendigkeit bewusst, ihre Aktionen über den Moment ihrer performativen Erscheinung hinaus zu erhalten, zu verbreiten und nicht zuletzt auch ihre kunsthistorische Rezeption mitzubestimmen.

Die Zusammenarbeit vor allem mit dem Fotografen Ludwig Hoffenreich oder mit dem Filmemacher Kurt Kren, die jeweils eigene Bildsprachen entwickelten und die radikal inszenierte Authentizität der Aktionen durch ihren Filter brachen, forderten die Wiener Aktionisten zugleich heraus. Vor allem Krens frei assoziierende Filme übten Kritik an ihrem Streben, mit Körper und Film eine direkte Brücke zwischen Aktion und Betrachtern zu schlagen. Die Wiener Aktionisten mussten erkennen, dass registrierende und reproduzierende Apparaturen – Auge, Sprache, Kamera – Auswirkungen auf ihre Aktionen hatten und dass Fotografien, Texte, Manifeste, Augenzeugenberichte ebenso wenig wie Performances eindeutige Wahrheit repräsentierten.

Die in dieser Präsentation gezeigten Arbeiten des Wiener Aktionismus stammen aus allen Bestandsbereichen der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart und insbesondere aus dem Archiv Sohm. Mit dieser Präsentation startet die Staatsgalerie Stuttgart unter dem Titel Offenes Depot eine Reihe konzentrierter Einblicke in ihre Sammlung. Ausgangspunkte der Reihe sind in den Depots und Archiven des Museums befindliche Arbeiten und Sammlungsbereiche sowie die Auseinandersetzung mit dem Depot als Ort der Verwahrung und Kategorisierung selbst.

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