23.02. – 08.06.2008

PopArtPortraits

Mit dieser Ausstellung zeigt die Staatsgalerie Stuttgart erstmals eine umfassende Ausstellung über Pop-Art-Portraits. Zu sehen sind Werke ab den frühen 1950er Jahren bis hin zur Ausprägung des Genres als internationales Phänomen ab 1965. Bilder von Elvis Presley oder von Marilyn Monroe zählen längst zu Ikonen der Bildenden Kunst. Dennoch ist bis heute die Bedeutung des Porträts in der Pop-Art-Bewegung kaum untersucht worden. Auch der Bezug der Pop-Art als historische Antwort auf die vorausgehende Epoche der Abstraktion im massenmedialen Zeitalter ist bisher nicht ausreichend erforscht. Dies will nun die breit angelegte Schau, entstanden in Zusammenarbeit mit der National Portrait Gallery, London nachholen.

In folgenden Sektionen untersucht die Ausstellung die Rolle und Bedeutung des Porträts in der Pop-Art.

Die Vorläufer der Pop-Art

Die Wurzeln der Pop-Art lassen sich bis zu dem Vortrag mit dem Titel »Bunk« zurückverfolgen, den Eduard Paolozzi 1952 in London auf der ersten Versammlung der »Independent Group« hielt. Diese Diskussionsgruppe aus Künstlern, Architekten und Schriftstellern traf sich regelmäßig im Institute of Contemporary Art, um das zeitgenössische Großstadtleben zu untersuchen. Paolozzis projizierte Collagen aus amerikanischen Magazinen reflektierten die bewusst antielitäre und antiakademische Haltung der Gruppe, die sich gegenüber der kommerziellen Kultur und Ikonographie der »Neuen Welt« aufgeschlossen zeigte. Neben diesen frühen Porträtcollagen Paolozzis präsentiert die Ausstellung wegweisende Werke von Richard Hamilton, Nigel Henderson und Peter Blake. Die Verwendung porträthafter Bilder New Yorker Künstler in den 50er Jahren als Reaktion auf den abstrakten Expressionismus verdeutlicht die parallele Entwicklung zur englischen Pop-Art.

Das Porträt und die Frage des Stils

Diese Sektion umfasst die Periode der späten 50er bis Mitte 60er Jahre. Sie vermittelt wie britische und amerikanische Künstler das Porträt einsetzten, um einen neuen unverwechselbaren, figurativen Stil zu entwickeln, der mit Ausdrucksformen und Ideen von gestern bricht. David Hockney, Allen Jones, Patrick Caulfield und Derek Boshier gehören zu den jungen Künstlern des Royal College of Art, die Pop-Art in Ausstellungen zeitgenössischer Kunst 1961 in Erscheinung treten lassen. Als zentrales Thema hinterfragt hier das verdeckte Selbstporträt die Auswirkungen der modernen Welt auf die persönliche Identität. Andy Warhol greift das Problem auf, indem er seine Selbstporträts wie Massenprodukte vervielfältigt und so selbst zu einem beliebigen Konsumartikel avanciert.

Fantasie und Ruhm

Zwischen 1962 und 1965 rückt die Pop-Art in das Zentrum der Aufmerksamkeit und erreicht ein internationales Publikum. Die sich stark ausbreitende Repräsentation der Frau in den Medien wird ein wichtiger Aspekt der neuen Bewegung.

Die Pop-Art-Künstler untersuchten das Entstehen von Berühmtheit bzw. die Auslöschung von Identität beim Einsatz weiblicher Sexualität für die Werbung oder im Kontext von Pin-up Bildern. Die Sexualisierung des Frauenbildes und das sich wandelnde Empfinden beleuchten Künstler wie Peter Blake, Allen Jones, Mel Ramos in ihren plakativen Porträts.

Die Frau als namenlose Stereotype, die zu einem anonymen Massenprodukt männlicher Wunschbilder reduziert ist, thematisiert auch Tom Wesselmann in »Great Nude«.

Pop-Art und Film

Zwischen 1964 und 1966 erstellte Andy Warhol 572 stumme 3-Minuten Filmporträts von 189 Männern und Frauen, die zur New Yorker Kunstszene gehörten. Der daraus resultierende Film »Screen Test« beschreibt die Entstehung von Porträts durch Zeit, Bewegung und Veränderung. Darauf reagierte 1969 der Londoner Filmemacher Peter Gidal mit dem Film »Heads«, der 30 Modelle der Kunstwelt vorstellt. Durch extreme Nahaufnahmen intensiviert er die Erfahrung der ablaufenden Zeit als beschreibendes Element von Personen.

Unschuld und Erfahrung

In den frühen 60er Jahren herrschte ein allgemeines Gefühl der Zuversicht. Die amerikanische Jugendkultur, der technische Fortschritt und die Eroberung des Alls hinterließen den Eindruck eines neu angebrochenen Zeitalter. Die Werke spiegeln diesen Optimismus mit einem Fokus auf Popmusik und Mode sowie Raumfahrt und modernem Leben wieder. Doch die 60er Jahre erlebten auch die beängstigenden Auswirkungen der Kubakrise, der Ermordung von Präsident Kennedy, den Konflikt in Nordirland sowie Studentenproteste, Bürgerrechtsdemonstrationen und Kundgebungen gegen den Vietnamkrieg. Dieser mit solchen Themen aufgeladene Stimmungswandel ist in den Porträts der Pop-Art-Künstler zu spüren. Ein stärker kritischer, ambivalenter Tonfall reflektiert die Atmosphäre der Unsicherheit, die das anfängliche Selbstbewusstsein verdrängt.

Marilyn

Unter dem Einfluss Hollywoods werden Leinwandhelden, die den amerikanischen Traum repräsentierten, doch gleichzeitig an ihrem Erfolg zerbrachen, zu einem beliebten Motiv der Pop-Art-Portraits. Unter den vielen Stars ragt eine Gestalt heraus, die das Verhältnis der Pop-Art zum Phänomen des Ruhmes ins Licht rückt: Marilyn Monroe. Während Pop-Art zunächst eine eher unkritische Faszination für ihr Medienimage spiegelt, leitet ihr Tod am 4. August 1962 eine veränderte Wahrnehmung der Schauspielerin ein. Der Eindruck eines funkelnden Sterns wurde überschattet von Spekulationen über die unglücklichen Umstände ihres Privatlebens. Neben der Zelebrierung der Ikone setzen sich viele Porträts mit der zerstörenden Wirkung des Ruhmes auseinander. In der Dekonstruktion der schillernden Fassade tritt der Konflikt zwischen realer Person und medial propagiertem Image hervor.

Graphik

Die Druckgraphik gilt als eine wesentliche Ausdruckform der Pop-Art. Wie noch nie zuvor übernahm sie die Funktion der Verbreitung und Bewerbung des Künstlers und seiner Ideen auf marktwirtschaftlicher Ebene. Hierbei stellt die Serigraphie ein bevorzugtes Verfahren der Pop-Art-Künstler vor. Die in der Ausstellung gezeigten Werke aus der Graphischen Sammlung wurden bereits in den sechziger Jahren zeitnah als Gegenwartskunst erworben.

Wesselmanns plastischer Druck auf Vinyl »Cut-out Nude« und Mimmo Rotellas Plakatcollage »Marilyn« ergänzen die Ausstellung im Hinblick auf die technische Vielfalt von Pop-Art.

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