Die Ausstellung bietet einen Überblick über deutsche Zeichnungen vom Spätmittelalter bis zum Barock und veranschaulicht die Vielfalt der Themen, Funktionen und Techniken der Kunst auf Papier. Das Leitmotiv der Ausstellung ist die Formulierung Albrecht Dürers »Aber der Nutz ist ein großer Teil der Schönheit«. Sie fasst das weite Spektrum der präsentierten Kunstwerke zusammen. Dabei spannt sich der Bogen von der Übung der zeichnenden Hand über die Studie, den Entwurf oder die Vorzeichnung für Malerei, Druckgraphik oder Plastik bis hin zur Würdigung als eigenständiges Kunstwerk und wertvolles Sammlungsobjekt.
Jedoch kommen in der vielschichtigen Ausstellung nicht nur die unterschiedlichen Techniken und Anwendungen der Zeichnung zur Geltung. Sie führt zugleich durch einen Abschnitt der Entwicklungsgeschichte der Zeichenkunst. Neben mittelalterlicher Buchmalerei und Blättern der Renaissance illustrieren Arbeiten manieristischer Kunst und Werke aus der Zeit des Barock die chronologischen Linien.
Hierzu zählen neben Werken Albrecht Dürers und Lucas Cranachs auch Arbeiten Hans Baldung Griens. Sein Werk »Ruhendes nacktes Liebespaar«, entstanden 1527, ist ein Beispiel einer Zeichnung als abgeschlossenes Werk und nicht Teil eines Studienblattes für ein Gemälde. Erkennbar ist dies an der Bezeichnung des Blattes mit Daten und Monogramm des Künstlers. Im Gegensatz dazu liefert das Blatt »Das jüngste Gericht« von Wendel Dietterlin (1590) ein Exempel für eine Vorlage. In diesem Fall für eines der Deckenbilder im oberen Saal des »Neuen Lustschlosses« in Stuttgart. Dargestellt sind drei große Themen aus der Heilsgeschichte nach einem Programm des damaligen württembergischen Hofpredigers, das gleichzeitig das Herzogtum Württemberg in den göttlichen Heilsplan einbezieht.
Weitere Akzente werden in der Ausstellung auf die verschiedenen Themenbereiche innerhalb der genannten Epochen gesetzt. Neben Passionsdarstellungen und Schlachtenbildern wurden zum Beispiel auch einzelne Kopfstudien oder Allegorien als Ausstellungsstücke gewählt. Das Blatt des Lucas Cranachs d. J. zeigt ein breites Spektrum an Zeichnungen, von einzelnen Skizzen zu Gesichtszügen bis zu farbig ausgeführten Entwürfen, die zur Vorbereitung eines 1558 gemalten Epitaphs eines Bürgermeisters diente. Johann Rottenhammers Allegorie »Vanitas Mundi« (nach 1600) kann als Modell für ein größeres Gemälde verstanden werden. Hierbei legte er den Akzent der Bedeutung nicht auf die Vergänglichkeit des Lebens allgemein, sondern auf die Nichtigkeit des irdischen Reichtums.
Eine Besonderheit der Ausstellung bilden mehrere Stadtansichten Matthäus Merians d. Ä., darunter auch ein exaktes Bild des herzoglich württembergischen Hofes in Stuttgart im frühen 17. Jahrhundert. Nicht nur das Alte Schloss, die Stiftskirche und die ausgedehnten Gartenanlagen sind deutlich zu erkennen. Auch Turnierrennbahnen und das von Georg Beer zwischen 1583 und 93 erbaute Neue Lusthaus sind von Merian aufgenommen und ermöglichen so dem Betrachter eine Vorstellung vom einstigen Stuttgart im Jahre 1616.
Insgesamt ergibt die Ausstellung ein repräsentatives Profil dieses wichtigen Bereichs der Graphischen Sammlung, zu dem nun aktuell ein Bestandskatalog vorliegt. Entstanden in jahrelanger Forschungsarbeit, erfasst der wissenschaftliche Katalog über 1000 Zeichnungen. Der größte Teil dieser Kunstwerke wurde bisher noch nie abgebildet. Erstmals konnten auch viele Zeichnungen Künstlern zugeschrieben und Funktionen sowie Provenienzen geklärt werden.