27.09.2008 – 18.01.2009

Matisse - Menschen Masken Modelle

Große Landesausstellung

Erstaunlicherweise ist den Porträts von Henri Matisse bisher noch keine eigene Ausstellung gewidmet worden, obwohl es sich hierbei um ein zentrales Thema seiner Kunst handelt. Der Titel »Menschen Masken Modelle« deutet bereits an, auf welch faszinierende Weise Matisse die traditionelle Porträtauffassung verändert. Da der wahre Charakter eines Menschen für Matisse nicht unmittelbar mit dessen äußerer Erscheinung zusammenfällt, abstrahiert er häufig die Gesichtszüge der Porträtierten zur zeichenhaften Maske. Matisse arbeitete oft in zahllosen Sitzungen die wichtigsten Züge des Modells heraus. Dabei entstand eine tief empfundene Beziehung zum Gegenüber.

Wir begegnen dem Künstler auf einer persönlicheren Ebene, als dies bislang möglich war. Nicht allein die Revolutionierung der künstlerischen Ausdrucksmittel, für die der große Gegenspieler zu Picasso zu Recht berühmt ist, bildet den Fokus. Die bislang selten gestellte Frage nach der inhaltlichen Seite seiner Kunst steht im Vordergrund der Ausstellung. Neueste Erkenntnisse zu Matisse’ Familienverhältnissen, seinen Beziehungen zu Künstlerkollegen, Sammlern und Berufsmodellen werden wesentlich miteinbezogen. Matisse wird so einerseits als Maler von Menschen in den Blick genommen. Andererseits wird danach gefragt, wie er die Verallgemeinerung der persönlichen Empfindung, nach der er nach eigenen Aussagen in seiner Kunst strebte, bei dieser besonderen Themenstellung erreichte.

Matisse strebte danach, die Wiedergabe der äußeren Erscheinung einer bestimmten Person mit einem überzeitlichen, »dauerhaften«, ja sakralen Bildverständnis in Einklang zu bringen. Dies stellte sich als mühevoll heraus und führte bei fast jedem Porträt zu zahlreichen Überarbeitungen und Variationen. Durch die Präsentation mehrerer Zeichnungen und erster Entwürfe zu ausgestellten Gemälden und Skulpturen wird dieser Prozess eindrücklich vor Augen geführt. Die historischen Voraussetzungen für eine solche Verdichtung der Menschendarstellung machte Matisse besonders im Bereich der afrikanischen Skulptur, der archaischen Statuarik sowie der Ikonenmalerei aus.

Beginnend mit frühen Selbstporträts um 1900 bis hin zu den späten Maskenbildern und Entwürfen zur Rosenkranzkapelle in Vence wird das ganze Spektrum von Matisse' Porträtkunst angesprochen. Sein berühmtes, 1906 entstandenes »Selbstbildnis im Matrosenhemd« aus dem Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, wird mit den Porträts seiner Malerfreunde André Derain und Albert Marquet als Zeugnis der ersten und einzigen Gruppenzugehörigkeit des Künstlers gezeigt – die Rede ist von den »Fauves«, den »wilden Tieren«, die seinerzeit so viel Aufsehen erregten und als deren Anführer Matisse galt. Es folgen weitere Selbstbildnisse, darunter das letzte in Öl gemalte aus dem Matisse-Museum in Le Cateau-Cambrésis von 1918, sowie liebevolle Darstellungen der Tochter Marguerite und anderer Familienmitglieder und Freunde. Die enge Beziehung zu seinen Sammlern unterstreicht das ikonenhafte Bildnispaar von Sarah und Michael Stein aus dem San Francisco Museum of Modern Art oder auch die ausdrucksstarke Zeichnung des Russen Sergej Iwanowitsch Schtschukin.

Einen Höhepunkt der Ausstellung bildet die Gruppe der farbreduzierten, strengen Porträts, die um 1914 entstanden und die Auseinandersetzung mit dem Kubismus widerspiegeln, darunter »Mademoiselle Yvonne Landsberg«, »Kopf in Weiß und Rosa. Marguerite Matisse« und die etwas spätere »Italienerin«. Die Modelle Laurette, Antoinette Arnoud, Henriette Darricarrère und Lydia Delectorskaya, die teilweise für viele Jahre für den Künstler arbeiteten und engen Familienanschluss hatten, bilden weitere nuancenreiche Gruppen, die durch eine Auswahl der grandiosen, fast bildmäßigen Kohlezeichnungen ergänzt werden, die Matisse seit Anfang der 1920er Jahre schuf und die seine Sucht nach neuen Gesichtern unterstreichen.

Eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart und des Bucerius Kunst Forums, Hamburg.

Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Baden-Württembergischen Bank.

Unter der Schirmherrschaft von Monsieur Bernard Kouchner, Minister für auswärtige und europäische Angelegenheiten von Frankreich. Im Rahmen der Französischen EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli – 31. Dezember 2008.

Zur Ausstellung ist ein Katalog im Hirmer Verlag erschienen.

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