Die Staatsgalerie Stuttgart widmete dem Werk des bedeutenden viktorianischen Malers Edward Burne-Jones (1833 - 1898) zum ersten Mal in Deutschland eine eigene Ausstellung. Mythen, Legenden und Sagen werden in den großen Erzählzyklen des Künstlers lebendig, die im Fokus der Präsentation standen. Sie entführen den Besucher in zauberhafte Welten.
Das Märchen von Dornröschen, die Sage von König Artus und den Rittern der Tafelrunde und der Mythos des Halbgottes Perseus, der die grauenvolle Gorgo Medusa enthauptete und die Königstochter Andromeda aus den Fängen eines Seeungeheuers befreite: Diese und andere Geschichten stellte Burne-Jones nicht nur in großformatigen Gemälden und Wandteppichen dar. Auch in Entwürfen für Glasfenster, Keramikplatten, Möbelstücken, Buchillustrationen und anderen plastischen oder textilen Arbeiten thematisierte er häufig solche literarische Vorlagen. Die neuen Ausstellungsräume im Erdgeschoss der Alten Staatsgalerie waren jeweils verschiedenen Erzählwelten gewidmet.
Die Wertschätzung des Kunsthandwerks, durch das Kunst und Leben verbunden werden sollten, teilte Burne-Jones mit William Morris, einem der Väter des modernen Designs. Mit ihm verband ihn eine lebenslange Freundschaft und die gemeinsame Arbeit in der 1861 gegründeten Firma Morris, Marshall, Faulkner & Co. Außerdem war William Morris’ Erfolgsbuch The Earthly Paradise, auf das auch der Titel der Ausstellung verweist, eine der wichtigsten literarischen Quellen der Zeit, aus der Burne-Jones die Inspiration für seine erzählerischen Zyklen bezog. Dieser Titel charakterisiert zugleich ein Hauptanliegen des Malers: Seine märchenhaften Bilder setzte er dem rauen Alltag seiner Zeit entgegen, der von den Auswirkungen der Industrialisierung geprägt war.
Während des Studiums am Exeter College in Oxford lernten sich Burne-Jones und Morris kennen – eine besondere und intensive Freundschaft begann. Der Austausch über Kunst und Literatur, die gegenseitige Kritik ihrer Werke und die gemeinsame Beschäftigung mit literarischen Quellen und Vorbildern war für beide von großer Bedeutung und ein Motor für ihr Schaffen. Beide brachen 1856 ihr Theologiestudium ab und gingen nach London, um sich fortan ganz der Kunst zu widmen.
Beide begeisterten sich leidenschaftlich für die Werke des jeweils anderen und arbeiteten auch deshalb besonders gerne an gemeinsamen Projekten. So entwarf Burne-Jones Illustrationen zu Morris’ Epos »The Earthly Paradise« oder seiner Bearbeitung der Werke Chaucers. Ziel war es, das Kunsthandwerk gegenüber den sogenannten hohen Künsten aufzuwerten.
Kunst und Leben sollten verbunden werden, indem man Möbel, Raumdekorationen und andere Gegenstände herstellte, die auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt, d.h. schön und zugleich nützlich waren. Morris wollte in seiner durch die Industrialisierung und fortschreitende Technisierung geprägten Zeit hochwertige, handgefertigte Produkte herstellen. Außerdem war ihm als Anhänger sozialistischer Ideen auch wichtig, seinen Angestellten gute Arbeitsbedingungen und eine angenehme Umgebung zu bieten. Dem eigenen Anspruch, die in der Firma hergestellten Gegenstände zu Preisen zu verkaufen, die für die einfache Bevölkerung erschwinglich waren, konnten Morris und seine Mitstreiter jedoch nicht gerecht werden. Morris selbst entwarf Stoffmuster und konnte fachmännisch mit dem Webstuhl umgehen. Die von Burne-Jones entworfenen Tapisserien führte er teilweise eigenhändig aus. Für private Auftraggeber planten Morris und Burne-Jones die Einrichtung ganzer Räume. Vor Ort legten sie gemeinsam die Wandgliederung fest, stimmten Farben aufeinander ab und wählten Materialien und Muster aus. Beide scheuten sich nicht, die erhabenen Themen der Bildzyklen mit praktischen Wohnbedürfnissen zu vereinen.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des britischen Botschafters in Deutschland, Sir Michael Arthur. Sie ist vom 19. März bis 25. Juli 2010 im Kunstmuseum Bern zu sehen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog mit ca. 300 Seiten, 237 Farb- und 54 Schwarzweißabbildungen erschienen.